Oberkochen

Auf unsere Veröf­fent­li­chun­gen zu den beiden Alt-Oberko­che­ner Ehren­bür­gern Pfarrer Breiten­bach und Pfarrer Bucher erhiel­ten wir einen Hinweis auf einen weite­ren verges­se­nen Ehren­bür­ger von Oberko­chen — den König­li­chen Oberförs­ter Carl Weiger.

Hier das Ergeb­nis unserer inten­si­ven Nachfor­schun­gen:
Carl Weiger, dessen Vater ebenfalls Forst­mann (Förster in Wurzach) war, kam im Jahre 1892 im Alter von 49 Jahren nach Oberko­chen und leite­te das König­li­che Forst­amt 17 Jahre lang bis zu seiner Pensio­nie­rung 1909 im Alter von 66 Jahren. Bereits 2 Jahre nach seiner Zurru­he­set­zung, 1911, verstarb Carl Weiger in Herrlin­gen (Blaustein) bei Ulm im Alter von 68 Jahren.

Anläß­lich seiner außer­ge­wöhn­li­chen öffent­li­chen Verdiens­te war ihm, laut Kocher-Zeitung vom 20.10.1909, das Ritter­kreuz I. Klasse des Fried­richs­or­dens verlie­hen worden. Die Gemein­de Oberko­chen ehrte den u. a. im Schwä­bi­schen Albver­ein und im Katho­li­schen Kirchen­chor aktiven Forst­mann wenig später durch Gemein­de­rats­be­schluß vom 11.11.1909, indem sie ihm das Ehren­bür­ger­recht verlieh.

Hier der Wortlaut des Proto­kolls der Gemein­de­rats-Sitzung vom 11.11.1909, § 58:

»Der Vorsit­zen­de (Bürger­meis­ter Frank) trägt vor, daß Oberförs­ter Weiger, hier, welcher über 17 Jahre das König­li­che Forst­amt, hier, verse­hen hat, in Ruhestand versetzt und in den nächs­ten Tagen seine Ruhewoh­nung in Herrlin­gen bezie­hen werde. In Anbetracht der vieler­lei Verdiens­te dieses Beamten um die Gemein­de stellt der Vorsit­zen­de den Antrag, dem Oberförs­ter Weiger das Ehren­bür­ger­recht der hiesi­gen Gemein­de zu erteilen.

Beschluß:
1) Dem Antrag zuzustim­men und dem Herrn Oberförs­ter Weiger, hier, das Ehren­bür­ger­recht der hiesi­gen Gemein­de zu verlei­hen.
2) Ein Diplom durch Oberleh­rer Zeller in Aalen anfer­ti­gen zu lassen und durch den Ortsvor­ste­her mit der Anfer­ti­gung und Überbrin­gung dersel­ben das Erfor­der­li­che einlei­ten zu lassen.«

Zur Beurkun­dung:
Gemein­de­rat: Frank, Gold, Schell­mann, Wingert, Weber, Balle
Bürger­aus­schuß: Grupp, Holz, Betzler, Tritt­ler, Wingert, Gold, Elmer

In der Gemein­de­rats-Sitzung vom 11.2.1910, § 30, heißt es im Proto­koll:
»Die Ehren­bür­ger­rechts­ur­kun­de des Ehren­bür­gers von hier, Oberförs­ter Weiger a. D., in Herrlin­gen, soll durch Balle, Grupp und Frank überbracht werden und sollen die 2 erste­ren je 4 Mark Reise­geld erhalten.«

Aus einem Presse­be­richt der Kocher-Zeitung vom 3.10.1898 anläß­lich eines Wohltä­tig­keits­kon­zer­tes zuguns­ten des Neubaus der Katho­li­schen Kirche geht hervor, daß auch die 15 Jahre jünge­re Gemah­lin von Carl Weiger in Oberko­chen aktiv war, und zwar als Pianistin.

Dort heißt es: (auszugs­wei­se)
Noch erübrigt uns einer Künst­le­rin aus unseren gesell­schaft­li­chen Kreisen zu geden­ken, ohne deren Eingrei­fen der uns gebote­ne hohe Kunst­genuß wesent­lich abgeschwächt worden wäre, der Frau Oberförs­ter Weiger von Oberko­chen. Sie hat sich durch ihre vortreff­li­che, bis in die kleins­ten Nuancen hindurch vollendet durch­ge­führ­te schwe­re Beglei­tung sämtli­cher Gesangs­stü­cke auf dem Klavier Anspruch auf volls­te Anerken­nung seitens der Konzert­ge­ber und des Publi­kums erwor­ben.« — Bemer­kens­wert ist, daß als Gesangs­so­list der aus Oberko­chen gebür­ti­ge König­li­che Kamme­ri­än­ger Anton Balluff auftrat. (Herr Schrenk berich­te­te anläß­lich unserer letzten Haupt­ver­samm­lung ausführ­lich über ihn — ein Bericht an dieser Stelle ist geplant).

Ein Jahr später, am 11.9.1899, finden wir einen Vermerk in der Chronik des Katho­li­schen Kirchen­chors:
»… Herr Carl Weiger sprach anläß­lich der Grund­stein­le­gung für die Katho­li­sche Kirche St. Peter und Paul herzli­chen Dank aus für die Opfer­tä­tig­keit der katho­li­schen Gemein­de Oberko­chens sowie der Katho­li­ken Schwa­bens überhaupt.«

Ein weite­rer Presse­be­richt vom 11.5.1905 lautet auszugsweise:

Kocher-Zeitung v. 11.5.1905
»Nachdem schon vor einiger Zeit auf Anregung des Vertrau­ens­manns der hiesi­gen Ortsgrup­pe des Schwä­bi­schen Albver­eins, Herrn Oberförs­ter Weiger, vor dem katho­li­schen Schul­hau­se sowie auf einer vor dem Ort gelege­nen Anhöhe anläß­lich der Feier des hundert­jäh­ri­gen Todes­ta­ges des Dichter­fürs­ten Schil­ler verschie­de­ne Schil­ler­lin­den gepflanzt worden waren, wurde am letzten Montag­abend, ebenfalls auf Veran­las­sung des genann­ten Herrn, im Gasthaus »zum Hirsch« unter zahlrei­cher Betei­li­gung der ganzen Gemein­de zur festli­chen Begehung des Schil­ler­ge­denk­ta­ges ein Famili­en­abend abgehal­ten. Auf einen von Frau Oberförs­ter Weiger und Herrn Lehrer Rink flott gespiel­ten vierhän­di­gen Marsch von Schubert folgte der Vortrag von Goethes »Epilog zu Schil­lers Glocke«. In der sich anschlie­ßen­den Festre­de zeich­ne­te Herr Lehrer Ulsamer ein treff­li­ches Lebens- und Charak­ter­bild des großen unver­geß­li­chen Toten, während Herr Lehrer Fünfer zum Hochhal­ten und zur Pflege der Ideale, beson­ders einer glühen­den Vater­lands­lie­be, auffor­der­te. Unter den musika­li­schen Darbie­tun­gen bilde­ten die von Fräulein Rosa Weiger (Tochter des Ehepaa­res Weiger, damals 22 Jahre alt) tadel­los gesun­ge­nen Solis … einen wirkli­chen Hochgenuß« …

Schwie­rig und langwie­rig war es, Nachkom­men des Ehepaars Weiger aufzu­spü­ren. Bei Stadt und Kirche sowohl als auch beim Staat­li­chen Forst­amt Oberko­chen gibt es keiner­lei diesbe­züg­li­che Hinwei­se oder Unter­la­gen. Das Staats­ar­chiv Ludwigs­burg teilte mit, daß auch dort keine Unter­la­gen auffind­bar sind — ein großer Teil der Akten sei im 2. Weltkrieg in Stutt­gart verbrannt. Auf vielen Umwegen kamen wir über eine Urenke­lin auf die Spur von zwei noch leben­den Enkelin­nen des Ehepaars Weiger, das vier Kinder hatte — keines hiervon in Oberko­chen geboren. Hierbei bemüh­ten wir die Einwoh­ner­mel­de­äm­ter und die Standes­äm­ter von München, Ulm, Stutt­gart, Herrlingen/Blaustein, Bad Godes­berg, Bonn und Güstrow (ehema­li­ge DDR).

Der Enkelin Ingeborg Fiech­t­ner (ihr Sohn, Urs Fiech­t­ner, Schrift­stel­ler, erhielt kürzlich den Thaddä­us-Troll-Preis), die nach länge­ren Übersee-Aufent­hal­ten heute in Hörvel­sin­gen bei Ulm lebt, verdan­ken wir die Todes­an­zei­ge von Carl Weiger, ein Foto des jungen Ehepaars aus ihrer Vor-Oberko­che­ner Zeit, und eines der Familie Weiger aus dem Jahre 1907, wahrschein­lich im Garten des alten Forst­hau­ses im Jäger­gäß­le aufge­nom­men. (heute Freiwil­li­ge Feuerwehr).

Oberkochen

Der Enkelin Edeltraut Wellhäu­ser aus Düssel­dorf, Tochter der vorhin erwähn­ten 22jährigen Sänge­rin Rosa Weiger jr., verdan­ken wir die beiden in diesem Bericht wieder­ge­ge­be­nen Fotos, die am 21.2.1904 von einem Schwä­bisch Gmünder Fotogra­fen angefer­tigt wurden — also während der Oberko­che­ner Zeit der Familie Carl Weiger.

Beide Enkelin­nen kannten ihren Großva­ter Carl Weiger nicht persön­lich — Frau Fiech­t­ner wußte jedoch überlie­fert, daß ihr Großva­ter ein »barocker« Mensch gewesen sei — sehr umgäng­lich, sehr gewandt und an allem inter­es­siert. Ein Origi­nal. Er habe »nichts ausge­las­sen«, und sei ein hervor­ra­gen­der Stamm­tisch­gast gewesen. Auch habe er etwas für hübsche Frauen übrig gehabt — was seine Schwie­ger­mut­ter für »höchst überflüs­sig« gehal­ten habe. Im Schrank zuhau­se sei immer der »Römer« von Großva­ter »Tsarl« gestan­den. Ihr Großva­ter, also unser Ehren­bür­ger, habe sich nämlich vorne mit einem »C» geschrie­ben, und man habe ihn immer »Tsarl« genannt — während ihr Vater, Dr., Profes­sor und Oberstu­di­en­di­rek­tor am Kepler-Gymna­si­um in Ulm, Karl Weiger, sich mit einem »K« geschrie­ben habe.

Frau Wellhäu­ser wußte, daß die Wohnung der König­li­chen Oberförs­ters­wit­we Rosa Weiger sen. in Ulm bei dem verhee­ren­den Luftan­griff auf Ulm im Jahr 1944 total zerstört wurde — die Ehren­bür­ger­ur­kun­de sei sicher mitver­brannt. — Im selben Jahr, 1944, verstarb Frau Rosa Weiger sen. 86-jährig. Sie hatte ihren Gatten um 33 Jahre überlebt.

Anmer­kung zu den Aktivi­tä­ten von Oberförs­ter Weiger im Schwä­bi­schen Albver­ein, Ortsgrup­pe Oberkochen.

In der Kocher-Zeitung vom 11.5.1905 ist erwähnt, daß Oberförs­ter Weiger Vertrau­ens­mann der hiesi­gen Ortsgrup­pe gewesen ist. Da die Oberko­che­ner Ortsgrup­pe 1894 gegrün­det worden ist — also 2 Jahre nach Dienst­an­tritt des König­li­chen Oberförs­ters in Oberko­chen — ist nicht auszu­schlie­ßen, daß Oberförs­ter Weiger zumin­dest zu den Männern der ersten Stunde des SAV, Ortsgrup­pe Oberko­chen, zu zählen ist, wenn er nicht sogar ihr Begrün­der war. Leider gibt es, wie in Bericht 148 beschrie­ben, weder bei der Ortsgrup­pe noch beim Haupt­ver­band irgend­wel­che Aufzeich­nun­gen. Anmer­kung zur Frage »Ehren­bür­ger«. Herrn Dr. Christ­hard Schrenk (Archi­var bei der Stadt Heilbronn) verdan­ken wir folgen­de Information:

Durch ein Organi­sa­ti­ons­edikt von 1818 konnte zugezo­ge­nen Bürgern das »Ehren­bür­ger­recht« zuerkannt werden. Fälsch­li­cher­wei­se wurden solche »Ehren­bür­ger« auch nach dem Ehren­bür­ger­ge­setz von 1885 als Ehren­bür­ger im moder­nen Sinn weiter­ge­führt. Das Gesetz von 1885 definier­te das Ehren­bür­ger­recht neu. Hier heißt es wörtlich: (Artikel 11)

»Männern, welche sich beson­ders verdient gemacht haben, kann als Beweis der Anerken­nung vom Gemein­de­rat mit Zustim­mung des Bürger­aus­schus­ses das Ehren­bür­ger­recht verlie­hen werden.« In einem Schrei­ben an Herrn Bürger­meis­ter Gentsch stellt der Gemein­de­tag von Baden-Württem­berg ausdrück­lich fest, daß sich die derzei­ti­gen Festset­zun­gen zur Erlan­gung der Ehren­bür­ger­wür­de nicht von dem 1885 geschaf­fe­nen Gesetz unter­schei­den. (Schrei­ben vom 23.4.1987 anläß­lich der Nachfor­schun­gen zu Ehren­bür­ger Pfarrer Breitenbach).

Da unsere »alten« Ehren­bür­ger allesamt nach 1885 zu Ehren­bür­gern ernannt wurden, sind sie allesamt Ehren­bür­ger im Sinn von § 22 der moder­nen Gemein­de­ord­nung. Viele Gemein­den haben, wie bereits ausge­führt, Ehren­bür­ger nach dem Gesetz von 1818 noch lange nach 1885 in ihren Ehren­bür­ger­lis­ten weiter­ge­führt, und sie erst lange Zeit später gestri­chen. Unsere »alten« Ehren­bür­ger wurden entwe­der irrtüm­lich oder vorsätz­lich schädi­gend aus der Oberko­che­ner Ehren­bür­ger-Liste gestrichen.

Uns ist noch ein letzter so verges­se­ner Ehren­bür­ger bekannt — nämlich Herr Oberförs­ter Fröhner, Amtsvor­gän­ger von Herrn Oberförs­ter Weiger. Von OF Fröhner gibt es bis jetzt, trotz laufen­der Bemühun­gen, noch keiner­lei Hinwei­se oder Bildma­te­ri­al, außer das Gemein­de­rats­pro­to­koll vom 13.4.1893, welches unter § 16 lautet:

»Der Vorsit­zen­de (Schult­heiß Bezler) trägt vor, daß Oberförs­ter Fröhner, hier, welcher 16 Jahre lang das König­li­che Revier­amt, hier, verse­hen hat, in den nächs­ten Tagen von hier abzie­he und seine neue Stelle in Göppin­gen, wohin er auf sein Ansuchen beför­dert worden sei, antrete.

In Anbetracht der vieler­lei Verdiens­te dieses Beamten um die Gemein­de stellt der Vorsit­zen­de den Antrag, dem Oberförs­ter Fröhner das Ehren­bür­ger­recht der hiesi­gen Gemein­de zu erthei­len.« Gemein­de­rat und Bürger­aus­schuß verfuh­ren entspre­chend dem Antrag von Schult­heiß Bezler.

In der Reihen­fol­ge der Ernen­nun­gen lautet jetzt die vollstän­di­ge Liste der »alten« Oberko­che­ner Ehrenbürger:

13.04.1893: Oberförs­ter Fröhner
20.08.1894: Pfarrer Franz Breiten­bach
11.09.1909: Pfarrer Emil Bucher
11.11.1909: Oberförs­ter Carl Weiger

Dietrich Bantel

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