Eine Ölmüh­le am Oberko­che­ner Ölwei­her wurde, wie im BuG-Bericht Nr. 1 nachzu­le­sen ist, schon im Jahre 1498 erwähnt. Aber erst seit 1845 sind die Eigen­tü­mer bekannt. In jenem Jahr übernahm der aus Esslin­gen zugewan­der­te Schwert­schlei­fer Fried­rich Leitz — Vater des Firmen­grün­ders Albert Leitz — die Werkstät­te am Ölwei­her. Aus Berich­ten des »Boten von Aalen« (Unter­ti­tel: »Oberamts- und Intel­li­genz-Blatt für Stadt und Bezirk Aalen«) ist es nun gelun­gen, drei Vorbe­sit­zer zu ermitteln.

Zwei von ihnen trugen densel­ben Famili­en­na­men Kienin­ger, ein Name, der, wie Kuno Gold im Oberko­che­ner Heimat­buch berich­tet (Seite 360), in der Zeit um 1800 fünfmal in Oberko­chen auftrat. Trotz der Namens­gleich­heit waren die beiden aufein­an­der­fol­gen­den Ölmüh­len­be­sit­zer Kienin­ger nicht mitein­an­der verwandt, vielmehr handel­te es sich um Schwie­ger­va­ter und Schwiegersohn.

Franz Joseph Kienin­ger
Wie Kuno Gold weiter schreibt, waren Träger des Namens Kienin­ger vielfach als Müller tätig, so u. a. auch auf der nicht mehr vorhan­de­nen Oberen Mühle. Ob der »Mühlknecht und Bürger Franz Joseph Kienin­ger« auch dazu gehör­te, ist ungewiß. Er hatte Maria Ursula Burkhard aus Unter­ko­chen gehei­ra­tet und der am 30. März 1754 gebore­ne Stamm­hal­ter wurde nach seinem Vater ebenfalls Franz Joseph genannt.

Dieser heira­te­te im Jahr 1787 eine Tochter des Oberko­che­ner Hafners Johann Hug. Wann Franz Joseph Kienin­ger d. J. die Ölmüh­le am Ölwei­her übernom­men hat, ist dem Famili­en­re­gis­ter nicht zu entneh­men. Jedoch sind dort die fünf Kinder der Familie aufge­führt, drei Söhne und zwei Töchter. Und die ältes­te Tochter Barba­ra Ottilie (geboren am 10. Januar 1791) ward später die Frau ihres Namens­vet­ters Johann Micha­el Kieninger.

Johann Micha­el Kienin­ger
Im Jahre 1785 als Sohn des Rappen­mül­lers von Ballmerts­ho­fen geboren, heira­te­te Johann Micha­el im Febru­ar 1816 in die Oberko­che­ner Mühle am Ölwei­her ein. Als sein Schwie­ger­va­ter Franz Joseph im Jahre 1818 gestor­ben war, übernahm Johann Micha­el Kienin­ger den Betrieb. Das Ehepaar hatte 13 Kinder, von denen aber nur vier überlebten.

Im Jahre 1839 fühlte sich der vierund­fünf­zig­jäh­ri­ge Johann Micha­el Kienin­ger »wegen kränk­li­cher Umstän­de« nicht mehr in der Lage, die am »Ölwei­her gelege­ne Säg, Öl- und Gypsmüh­le« weiter­zu­be­trei­ben. Deshalb wollte er das Anwesen an den »Meist­bie­ten­den aus freier Hand« verkau­fen. Inter­es­sen­ten konnten sich am 15. und 22. April sowie am 1. Mai 1839 bei Schult­heiß Maier im Gerichts­zim­mer des Rathau­ses melden, wozu »eventu­el­le Liebha­ber mit dem Anfügen einge­la­den waren, daß sich bei der vorhan­de­nen Wasser­kraft auch ein anderes Werk einrich­ten ließe.«

Gottlob Jakob Dik
Die Ölmüh­le am Ölwei­her war rund 50 Jahre im Besitz der Familie Kienin­ger gewesen und es fand sich nicht leicht ein Käufer. Erst über ein Jahr später steht im »Boten von Aalen« die Mittei­lung über einen Nachfol­ger. Dieser war kein Ölmül­ler, sondern ein Schwert­schlei­fer, der nun den Betrieb durch eine Schlei­fer­werk­stät­te erweiterte.

Schlei­fer­meis­ter Dik macht am 14. Septem­ber 1840 »einem verehr­li­chen Publi­kum die ergebens­te Anzei­ge, daß er eine Feinschlei­fe­rei errich­tet hat, und hierdurch in den Stand gesetzt ist, alle in diesem Geschäft vorkom­men­den Gegen­stän­de, nament­lich Schlos­ser­ar­bei­ten, sowie auch Wirts­mes­ser, Fleischwie­gen ect. gut und billig schlei­fen zu können«.

Gottlob Jakob Dik (der im Famili­en­re­gis­ter des Pfarr­amts Dick geschrie­ben wird), war im April 1840 als »Bürger von Geißlin­gen« mit Frau und zwei Kindern nach Oberko­chen gekom­men. Er entstamm­te einer Schwert­schlei­fer­fa­mi­lie in Bietig­heim, seine Frau war die Tochter des Secklers Johann Georg Kolesch in Biberach.

Obwohl sich Dik für »recht viele geneig­te Aufträ­ge bestens empfoh­len hatte«, florier­te das Geschäft offen­bar nicht seinen Vorstel­lun­gen entspre­chend. So überrasch­te er die Oberko­che­ner Bürger etwas mehr als zwei Jahre später mit der Nachricht, »der Unter­zeich­ne­te ist geson­nen, sein hiesi­ges Besitz­tum, bestehend in zwei Gebäu­den, nebst geräu­mi­ger Wohnung, mit einer neu einge­rich­te­ten Schleif, Gyps- und hollän­di­schen Ölmüh­le, welche derzeit mit hinläng­li­chem Wasser verse­hen sind, am Donners­tag, den 2. Febru­ar d. J. (1843) aus freier Hand an den Meist­bie­ten­den zu verkaufen«.

Oberkochen

Das Foto »Vom Handwerk zur Indus­trie« befin­det sich ohne nähere Angaben im Foto-Archiv des Heimat­ver­eins. Wer kann dazu Angaben machen?

Zu diesem Entschluß hatte wohl auch der Tod seiner Frau Johan­na Friede­ri­ke im März 1843 beigetra­gen. Sie hinter­ließ vier Kinder, die jüngs­te Tochter war ein halbes Jahr alt.

Anderer­seits scheint dieser Verkauf nicht ganz aus freien Stücken erfolgt zu sein. Dik hatte sich finan­zi­ell übernom­men. Denn am 6. April 1843 wird im Zuge einer »Hilfs­voll­stre­ckung Diks Liegen­schaft« durch den Oberko­che­ner Gemein­de­rat erneut zum Verkauf ausge­schrie­ben, nun aber nicht mehr zum freien Verkauf, sondern im »Aufstreich«, d. h. durch Versteigerung.

Der Verkauf war bis Dezem­ber 1843 erfolgt, denn Schult­heiß Maier forder­te als »Vorstand der Unter­pfands­be­hör­de« am 8. Dezem­ber 1843 öffent­lich dazu auf, »alle Gläubi­ger, die ihre Forde­run­gen bis jetzt noch nicht angemel­det haben, dies binnen 21 Tagen nachzu­ho­len, widri­gen­falls sie es sich selbst zuzuschrei­ben haben, wenn sie bei der Verwei­sung nicht berück­sich­tigt werden«.

Schlei­fer­meis­ter Dik gab aber nicht auf. Er zog 1884 nach Wasser­al­fin­gen und wollte dort eine neue Existenz gründen. Im Mai dieses Jahres richte­te er »im Fried­rich Stiewing’schen Etablis­se­ment« eine neue Schlei­fer­werk­statt ein. Aalener Kundschaft versuch­te er mit dem Angebot zu gewin­nen, »Schleif­ge­gen­stän­de können jeder­zeit bei Wagner­meis­ter Krauß im Hutma­cher Rieger’schen Haus in Aalen aufge­ge­ben und Montag, Mittwoch und Freitag wieder abgeholt werden«. Obwohl sicher­lich in jenen Jahren in Oberko­chen keine Schwer­ter mehr zu schlei­fen waren, empfiehlt sich Dik als »Schwert­schlei­fer, früher in Oberko­chen mit dem Bemer­ken, daß er sich durch gute Arbeit und promp­te Bedie­nung des in ihn gesetzt werden­den Vertrau­ens würdig zu machen bemühen wird«.

Aber auch schon damals war das Auge des Geset­zes in Form des König­li­chen Oberamts­ge­richts wachsam und belang­te ihn erneut wegen seiner Schul­den. Am 5. Juli 1844 erschien in der Aalener Kocher­zei­tung ein Gläubi­ge­r­auf­ruf, da »in der Debit-Sache des Schlei­fers Jakob Dik von Oberko­chen« wenigs­tens ein Nachlaß-Vergleich zustan­de­ge­kom­men war. Die Auffor­de­rung, »Gläubi­ger sollen ihre Forde­run­gen bis zum 1. August anmel­den, andern­falls sie von gegen­wär­ti­ger Masse ausge­schlos­sen werden«, ist der letzte Hinweis auf Jakob Dik. Er verläßt 1846 Wasser­al­fin­gen und damit die Ostalb, wo er kein beruf­li­ches Glück gefun­den hatte, und zieht in seine Heimat Geislin­gen, wo sich seine Spur im Sand der Geschich­te verliert.

Das Schick­sal des Schlei­fer­meis­ters Dik zeigt, wie risiko­reich in der sog. »Gründer­zeit« Betriebs­grün­dun­gen sein konnten, auch für unter­neh­mungs­lus­ti­ge Leute wie Jakob Dik, der sicher­lich kein schwä­bi­scher »Scheren­schlei­fer« gewesen war.

Nachtrag
1. Zum Foto bei Bericht 149:
Das Rätsel um das Foto »Vom Handwerk zur Indus­trie« ist gelöst! Von mehre­ren Seiten kamen freund­li­cher­wei­se Auskünf­te über Perso­nen und Ort: Auf dem Foto sind die Leitz-Mitar­bei­ter Jakob Jooß (v.li.), Richard Bäuerle (Mitte) und Alfons Fischer (hinten) zu sehen. Sie zeigt die Schmie­de des Betriebs vor dem Jahre 1972 (in jenem Jahr wurden dort die ersten automa­tisch gesteu­er­ten Werkzeug­ma­schi­nen aufge­stellt). Im Hinter­grund des Fotos (re.) sind einzel­ne Maschi­nen zu sehen, die an die Trans­mis­si­ons­an­la­ge angeschlos­sen waren.
Besten Dank für diese ergän­zen­den Informationen!

Volkmar Schrenk

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte