Als wir im Amtsblatt vom 23.10.1987 über den »verges­se­nen« Oberko­che­ner Ehren­bür­ger Pfarrer Breiten­bach (1819 — 1900) berich­te­ten, — wir hatten damals einen Tip aus der Bürger­schaft erhal­ten, — erhielt ich gleich 2 Hinwei­se darauf, daß es mögli­cher­wei­se noch einen weite­ren verges­se­nen Oberko­che­ner Ehren­bür­ger gibt. Der Name »Pfarrer Bucher« fiel. Doch dauer­te es gerau­me Zeit, bis ich Mitte Januar dieses Jahres einen ganz präzi­sen Hinweis auf die Richtig­keit der Vermu­tun­gen erhielt, und zwar von Frau Barba­ra Hopp vom katho­li­schen Pfarr­amt Oberkochen.

Oberkochen

In ihrem Schrei­ben vom 13.1.1990 schreibt Frau Hopp:
»Mit großem Inter­es­se las ich im Oktober 1987 Ihren Artikel im Amtsblatt »Bürger und Gemein­de« über »Oberko­chens verges­se­nen Ehren­bür­ger Pfr. Franz Breiten­bach«. Damals hatte ich auch gerade die »Kleine Chronik des Pfarr­orts Oberko­chen« gelesen und entdeck­te in ihr unter dem 4. Oktober 1909 folgen­de Angaben:

»Pfarrer Emil Bucher, der Erbau­er unserer Kirche, muß leider in den Ruhestand treten. Er wird von dem bürger­li­chen Kolle­gi­um zum Ehren­bür­ger ernannt«.

Sollte Pfr. Bucher auch ein verges­se­ner Ehren­bür­ger Oberko­chens sein?

Durch diese exakte Datie­rung war es leicht möglich, in den Gemein­de­rats­pro­to­kol­len dieser Zeit nach entspre­chen­den Einträ­gen zu suchen. Mit Hilfe der freund­li­chen Unter­stüt­zung durch Frau Barba­ra Czerner waren die Proto­kol­le schnell gefun­den. Es handelt sich um die Gemein­de­rats­pro­to­kol­le vom 11.9.1909 und vom 25.9.1909.

Das Proto­koll können Sie hier aufrufen.

Am 11.9.1909 (von 9 Gemein­de­rä­ten waren 8 anwesend) heißt es unter § 322:
»Vom Vorsit­zen­den wird das Abschieds- und Danksa­gungs­schrei­ben des Pfarrer Bucher von hier anläß­lich seiner Pensio­nie­rung verle­sen und beschlossen:

Dem Pfarrer Bucher von hier für seine so vielen geleis­te­ten Diens­te das Ehren­bür­ger­recht der hiesi­gen Gemein­de zu erteilen.

Zur Beurkun­dung:
Gemein­de­rat
Frank (Bgm.
Gold
Leitz
Schell­mann
Wingert
Balle
Weber
Nagel

In einem weite­ren Proto­koll vom 25.9.1909 ist nachzu­le­sen (§ 325)
(An dieser Sitzung nahm auch der Bürger­aus­schuss mit Stimme teil):

»Der Vorsit­zen­de bringt das Abschieds- und Danksa­gungs­schrei­ben von Herrn Pfarrer Bucher v. hier, z. Zt. in Neutann, zur Verle­sung. Nach Kennt­nis­nah­me wird einstim­mig beschlossen:

  1. Zum Zeichen unserer Dankbar­keit für die verdienst­vol­le und segens­rei­che Tätig­keit, dem Herrn Pfarrer Bucher das Ehren­bür­ger­recht der hiesi­gen Gemein­de zu übertragen.
  2. Durch Oberre­al­leh­rer Zeller in Aalen ein Diplom anfer­ti­gen zu lassen.
  3. Die Überrei­chung des Diploms durch den Ortsvor­ste­her besor­gen und das Nötige einlei­ten zu lassen.«

Zwei von Herrn Schrenk entdeck­te diesbe­züg­li­che Presse­no­ti­zen in der Kocher­zei­tung lauten:
15.11.1909: Oberko­chen. (Aus einem Bericht der Arbei­ter­ver­ein-Versamm­lung) … »Weiter berich­te­te der H. Präses, daß die Ehren­bür­ger­rechts­ur­kun­de (die heute auf dem Rathau­se besich­tigt werden konnte, sehr kunst­voll von Herrn Oberre­al­leh­rer Zeller/Aalen gefer­tigt am nächs­ten Donners­tag an H. H. Pfarrer Bucher überreicht werde. (Donners­tag, 18.11.1909. Dieser Termin ist offen­bar in den Herbst des Jahres 1910 verlegt worden.) Die bürger­li­chen Kolle­gi­en hatten unserem frühe­ren, jetzt im Ruhestand in Gmünd weilen­den Pfarrer Bucher, der sich um unsere schöne Kirche und um die Gemein­de große Verdiens­te erwor­ben hatte, als Anerken­nung das Ehren­bür­ger­recht verliehen…«

Am 4.10.1910 berich­tet die Kocher­zei­tung:
»Oberko­chen. Vor einiger Zeit wurde Herrn Pfarrer Emil Bucher von hier der Eintritt in den Ruhestand gewährt. Das Haupt­werk, das er schon als Verwe­ser der Pfarrei zustan­de gebracht, ist der Bau einer herrli­chen Kirche (der sog. Verjäh­rungs­kir­che). Mit unermüd­li­chem Eifer und großem Verständ­nis hat er sich diesem Werke hinge­ge­ben. Umso tragi­scher ist es, daß er selbst nur kurze Zeit in dem Hause, das er dem Herrn gebaut, wirken konnte, indem eine Krank­heit ihn schon mehre­re Jahre von seiner Pfarrei fernhielt und ihn veran­laß­te, um seine Pensio­nie­rung einzu­ge­ben. Unter Würdi­gung seiner großen Verdiens­te um Pfarrei und Gemein­de (auch ein neues präch­ti­ges Schul­haus wurde unter ihm erbaut) haben ihn die bürger­li­chen Kolle­gi­en zum Ehren­bür­ger der Gemein­de Oberko­chen ernannt.

Neben innigem Danke für alles Gute bringen ihm seine ehema­li­gen Pfarr­kin­der die besten Wünsche für seine Gesund­heit dar. In der genann­ten Kirche wurde im Verlauf des Sommers durch Bildhau­er Kaiser (Iggin­gen) die beiden Neben­al­tä­re erstellt. Sie sind reich in Gold gefaßt, stilge­recht gehal­ten, etwas moder­ni­siert und stellen so einen schönen Schmuck der Kirche dar. Beson­ders hat auch ein Altar­bild (der hl. Antoni­us sitzend darge­stellt) das bei der General­ver­samm­lung des Diöze­san­kunst­ver­eins in Gmünd ausge­stellt war, Lob und Anerken­nung von Autori­tä­ten in diesem Fach erfahren.«

Offizi­ell war Pfarrer Bucher wegen eines chroni­schen Lungen- und Brust­lei­dens genötigt gewesen, um die Verset­zung in den Ruhestand zu bitten. Einem Schrei­ben des Bischöf­li­chen Ordina­ri­ats vom 28.5.1909 ist zu entneh­men, daß Pfarrer Bucher am 1.2.1870 in Weisse­nau geboren, am 17.7.1894 in Rotten­burg ordiniert, ab dem 3.8.1894 als Vikar in Söflin­gen einge­stellt und ab dem 20.11.1901 in Oberko­chen Inhaber der Pfarr­stel­le wurde. Ab dem 15.9.1903 war er, krank­heits­be­dingt, ununter­bro­chen von seiner Pfarr­stel­le abwesend und dann als Kaplan­ver­we­ser auf der »entbehr­li­chen Kaplan­ei­stel­le«. in Neutann. Seine Pensio­nie­rung wurde auf den 1.10.1909 verfügt. Einem vom Canisius­haus in Schwä­bisch Gmünd, der im kt. Kirchen­ar­chiv aufbe­wahrt wird, ist zu entneh­men, daß Pfarrer Bucher ab 1919 im Canisius­haus in Schwä­bisch Gmünd wohnte. Trotz seines Leidens verstarb Pfarrer Bucher erst im 80. Lebens­jahr, das das 56. Jahr seines Pries­ter­tums war. Immer hinfäl­li­ger gewor­den und darauf­hin angespro­chen, sagte er vor seinem Tod: »Schon wieder ein paar Pfund weniger, — dann fliege ich leich­ter in den Himmel«. Auch an anderer Stelle wird sein Humor erwähnt.

Unser Foto oben zeigt Pfarrer Bucher i.R. vermut­lich im Jahre 1934, also 64-jährig, anläß­lich seines 40-jähri­gen Priesterjubiläums.

Die litho­gra­phi­sche Ansichts­kar­te »Gruß aus Oberko­chen« ist kurz nach 1900 entstan­den, vom Postamt Oberko­chen im Jahre 1907 abgestem­pelt. Das Origi­nal stammt aus dem Besitz unseres Mitglieds Dr. Frank Köster. Die Postkar­te wurde seiner­zeit bei Albert Forner, Oberko­chen, verlegt und gedruckt. Im Kreis ist das neue katho­li­sche Schul­ge­bäu­de, wegen der roten Backstei­ne »Fuchs­bau« genannt, im Jahre 1900 errich­tet, und unter der Ortsan­sicht der ebenfalls unter Pfarrer Bucher (von 1898 bis 1900) errich­te­te Neubau der katho­li­schen Kirche abgebil­det. Um die gewal­ti­ge Verant­wor­tung zu ermes­sen, die auf Pfarrer Bucher lag, ist es notwen­dig, die Leistung im Verhält­nis zu der damals unter 1000 Seelen zählen­den katho­li­schen Pfarr­ge­mein­de zu sehen. Lt. Mittei­lung des Diöze­san­ar­chivs des Bischöf­li­chen Ordina­ri­ats der Diöze­se Rotten­burg zählte die katho­li­sche Kirchen­ge­mein­de im Jahre 1905 ganze 913 Seelen, (bei 229 Protes­tan­ten, die sich, so ist überlie­fert, auch an dem Riesen­pro­jekt beteiligten.)

Oberkochen
Oberkochen
Man könnte nun Überle­gun­gen anstel­len, wie es kam, daß gleich 2 katho­li­sche Pfarrer, die hochof­fi­zi­ell die Ehren­bür­ger­rech­te ihrer bürger­li­chen Heimat­ge­mein­de verlie­hen erhal­ten hatten, »verges­sen« wurden. War die Ehren­bür­ger­wür­de früher im Bewußt­sein der Bürger gerin­ger einge­schätzt als heute?

War es ganz einfach die lange Zeit, die sie verges­sen machte, — hat irgend jemand vielleicht einmal 2 Fotogra­fien im Rathaus abgehängt, weil man nicht mehr wußte, wer die abgebil­de­ten Perso­nen waren, oder hat mögli­cher­wei­se die finste­re Macht des 1000-jähri­gen Reichs die beiden Pfarrer »hinweg­ge­wußt«? Wie kommt es, darf weiter gefragt werden, daß, als am 6.11.1953 mit Fabri­kant Josef Schmid der erste Ehren­bür­ger nach dem 2. Weltkrieg ernannt wurde, sich überhaupt niemand mehr daran erinner­te, daß es in Oberko­chen schon einmal Ehren­bür­ger gegeben hatte?

Pfarrer Bucher war erst 4 Jahre zuvor gestor­ben. Hängt es auch damit zusam­men, daß man in Oberko­chen nach dem 2. Weltkrieg gewiß andere Sorgen hatte, als nach eventu­ell verges­se­nen oder »verges­se­nen« Ehren­bür­gern zu forschen?

Fest steht, daß wir sie jetzt wieder­ge­fun­den haben. Oberko­chen hat nunmehr 7 Ehren­bür­ger — und keiner von ihnen lebt mehr. Wer kennt sie noch mit Namen … ?

Oberkochen

Dietrich Bantel

Ergän­zung zu Bericht
Pfarrer Bucher — Ehrenbürger

Wir wurden darauf aufmerk­sam gemacht, daß es wohl nicht zutref­fen könne, daß Pfarrer Bucher erst ab dem 20. Novem­ber 1901 Pfarrer in Oberko­chen war, da er ja für seine Tätig­keit ab 1897 zum Ehren­bür­ger ernannt wurde. Wir möchten etwas ausführ­li­cher auf diese Frage einge­hen, da hier offen­bar auf ein im Jahre 1977 anläß­lich des 150-jähri­gen Jubilä­ums des Katho­li­schen Kirchen­chors veröf­fent­li­ches falsches Datum Bezug genom­men wird.

Die Verfas­ser der damals heraus­ge­ge­be­nen Festschrift haben auf Seite 47 die Pfarrer der Katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de ab 1803 aufge­lis­tet. Der späte­re Ehren­bür­ger Bucher wird hier fälsch­li­cher­wei­se mit Datum »ab 21.11.1897«; als »Pfarrer« geführt. Nach den uns zur Verfü­gung stehen­den Unter­la­gen ist Emil Bucher jedoch ab dem 21.11.1897 in Oberko­chen »Pfarr­ver­we­ser« gewesen und hat als solcher den Kirchen­neu­bau und den Schul­haus­neu­bau durch­ge­zo­gen. Pfarrer in Oberko­chen wurde Emil Bucher, wie von uns angege­ben, tatsäch­lich erst am 20.11.1901. Pfarrer Bucher schreibt in seinem Verset­zungs­ge­such vom 6.3.1906, daß er »auf letzte­rem Posten (Oberko­chen) sich infol­ge Überan­stren­gung ein chroni­sches Lungen­lei­den zugezo­gen habe, welches ihn daran hinde­re, in abseh­ba­rer Zeit seine Pfarrei Oberko­chen zu überneh­men, und ihn nötige, sich um eine leich­te Pfarr­dienst­stel­le in gesun­der, milder Gegend zu bewer­ben«. Diesem Gesuch wurde, wie von uns berich­tet, entsprochen.

Pfarrer Bucher war bereits ab dein 9.2.1902 nicht mehr einsatz­fä­hig, da mit diesem Datum in der Pfarrerlis­te ein Vikar Ernst genannt ist. Gefolgt von Vikar Haag ab dem 25.12.1902, Pfarr­ver­we­ser Kern ab dem 19.9.1903, Pfarr­ver­we­ser Härle ab dem 19.8.1905, und dem Pfarr­ver­we­ser Bayer ab dem 16.5.1909. Erst mit Pfarrer Heilig ab dem 3.4.1910 kam wieder Ruhe in die Gemein­de. Pfarrer Heilig hatte die Pfarr­stel­le fast 15 Jahre lang inne.

Dietrich Bantel

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