Anläß­lich der Tiefbau­ar­bei­ten im Rahmen der Maßnah­men, die 1989 und in diesem Jahr in der Aalener und in der Heiden­hei­mer­stra­ße durch­ge­führt wurden, wurde im letzten Jahr beim Linden­brun­nen das Fragment einer sogenann­ten »Deichel« freige­legt, die zu einer alten Oberko­che­ner Holzrohr-Wasser­lei­tung gehör­te. Das Bruch­stück, Nadel­holz, weist einen mittle­ren Durch­mes­ser von 24 cm auf, ist 110 cm lang (ursprüng­li­che Gesamt­län­ge mehr als 200 cm) und ist mit einer nicht exakt zentrisch ausge­fal­le­nen Kernboh­rung mit einem Durch­mes­ser von 6,5 cm versehen.

Bislang war nicht bekannt, daß es in Oberko­chen ein Holzrohr-Wasser­lei­tungs­sys­tem gegeben hat. Der örtli­che Baulei­ter, Herr Schmau­der, dem wir den Fund verdan­ken, sagte seiner­zeit zu, eventu­el­le weite­re Funde umgehend zu melden, damit sie »in situ«, das heißt, »an Ort und Stelle« unter­sucht werden können, — leider kam nichts derglei­chen mehr zum Vorschein. Dem Verneh­men nach sind jedoch einige dieser Rohre mit dem Aushub abgefah­ren worden und auf Nimmer­wie­der­sehn verschwunden.

Umso wichti­ger ist das gebor­ge­ne Stück für die Oberko­che­ner Geschich­te. Die Alters­be­stim­mung des Fundes gestal­tet sich schwe­rer als zunächst angenom­men. Fest steht, daß schon die Römer Holzstäm­me mit Bohrern, die später »Deichel­boh­rer« genannt wurden, und die im 19. Jahrhun­dert auch von den Oberko­che­ner Bohrer­ma­chern herge­stellt wurden, der Länge nach durch­bohrt und Holzrohr-Wasser­lei­tun­gen verlegt und benutzt haben. Solche Holzdei­cheln aus römischer Zeit befin­den sich im Aache­ner Museum und sind, bis auf den Erhal­tungs­grad, dem Oberko­che­ner Stück nicht unähn­lich. Aller­ding kann mit Sicher­heit ausge­schlos­sen werden, daß unser Fund in diese Zeit datiert. Das einzi­ge bislang nachge­wie­se­ne Bauwerk dieser Zeit, der »Römer­kel­ler« befin­det sich außer­halb Etters im Weilfeld. Herr Dipl. Ing. Lamberth, Ludwigs­hö­he, der über ein großes Wissen über den histo­ri­schen Wasser­lei­tungs­bau besitzt, war als Vorsit­zen­der der Fronti­nus-Gesell­schaft so freund­lich, uns ein datier­tes Bildbei­spiel von Holzdei­cheln zur Verfü­gung zu stellen.

Oberkochen

Das Bild oben zeigt Holzdei­cheln aus Udenheim (Rhein­hes­sen) aus dem frühen 16. Jahrhun­dert. Das vorders­te der 3 Bruch­stü­cke gleicht unserem Beispiel auffal­lend, — was jedoch nicht Beweis dafür ist, daß unser Stück tatsäch­lich aus dieser Zeit stammt. Wahrschein­lich ist es jünger.

Das Bild unten zeigt das Oberko­che­ner Deichel­stück, das zum Zwecke einer mögli­chen dendro­chro­no­lo­gi­schen Alters­be­stim­mung in der Mitte aufge­sägt wurde. Als wissen­schaft­li­che Stelle, die solche Unter­su­chun­gen durch­führt, wurde uns von Herrn Lamberth das Rheini­sche Landes­mu­se­um in Trier benannt. Leider weist unser Bruch­stück nicht die notwen­di­gen Voraus­set­zun­gen für eine Alters­be­stim­mung auf. Das Rheini­sche Landes­mu­se­um teilt uns mit: »Wir haben uns Ihr Foto von der dendro­chro­no­lo­gisch zu bestim­men­den Wasser­lei­tung angese­hen und dabei festge­stellt, daß eine Jahrring­ana­ly­se hier wohl kaum Aussicht auf Erfolg haben wird. Wie Sie bereits anmerk­ten besteht die Wasser­lei­tung aus Nadel­holz — ob Fichte, Tanne oder Kiefer läßt sich anhand des Fotos natür­lich nicht bestim­men. — Auf dem Foto lassen sich nur knapp 40 Jahres­rin­ge feststel­len. Für die erfolg­rei­che Datie­rung sind jedoch bei einer Einzel­pro­be mindes­tens 70 bis 100 Ringe notwen­dig. Die Wasser­lei­tung erfüllt damit leider nicht die Voraus­set­zung für eine dendro­chro­no­lo­gi­sche Auswertung.«

Oberkochen

Es bleibt also nur zu hoffen, daß bei weite­ren Arbei­ten irgend­wann einmal vielleicht doch noch eine Holzdei­chel gefun­den wird, oder mehre­re, die die erfor­der­li­chen Voraus­set­zun­gen erfüllen.

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Verfas­sers, Herrn Dipl. Ing. Lamberth, drucken wir heute den Ausschnitt aus einem von ihm für die Fachzeit­schrift der Fronti­nus-Gesell­schaft Heft 10, 1987, der Fronti­nus Schrif­ten­rei­he verfaß­ten Beitrag zur Geschich­te der Holzroh­re ab.

Die mittel­al­ter­li­chen Rohrnet­ze wurden zum überwie­gen­den Teil aus Holzroh­ren herge­stellt. Je nach Vorkom­men wurde Fichte Tanne, Kiefer und Eiche verwen­det, wobei man Eiche wegen dem schwie­ri­gen Bohren und dem hohen Gewicht nur für bestimm­te Leitun­gen aussuch­te. Nadel­höl­zer wurden wegen ihren Harzge­hal­tes bevorzugt.

Die vorge­schrie­be­ne Länge für eine Holzdei­chel betrug 3,50 m. Das im Wald ausge­such­te Holz wurde nach der Entas­tung und Entrin­dung entwe­der senkrecht stehend oder im Wasser liegend gelagert. Wo der Trans­port über Wasser­we­ge möglich war, wurde es geflößt, um durch Auslau­gen organi­scher Stoffe die Nutzungs­dau­er des Holzes zu erhöhen.

Es gab bereits eine gewis­se Normung sowohl der Außen- als auch der Innendurchmesser:

Nennwei­te, Außen­durch­mes­ser der schwächs­ten Stelle:
Einzöl­ler, 25 mm, 150 mm
Zweizöl­ler, 50 mm, 200 mm
Dreizöl­ler, 75 mm, 250 mm
Vierzöl­ler, 100 mm, 300 mm

Gebohrt wurden die Deichel zunächst von Hand mittels Löffel­boh­rern mit einem 4 m langen Gestän­ge. Dies war eine sehr anstren­gen­de und zeitrau­ben­de Arbeit, deshalb dauer­te es nicht lange, bis die ersten Maschi­nen entwi­ckelt wurden. So konstru­ier­te 1430 der Nürnber­ger Stadt­bau­meis­ter Endres Tücher die erste Horizon­tal­bohr­ma­schi­ne. Mit dieser Maschi­ne konnten täglich fünfzehn 6 m lange Rohre gebohrt werden.

Bereits ein Jahr später hat ein Joseph aus Ulm eine Verti­kal­bohr­ma­schi­ne gebaut. Der Stamm wurde in eine Zange aus Holzbal­ken geklemmt. Der Bohrer war an einem Schau­fel­rad befes­tigt, das von vorbei­flie­ßen­dem Wasser getrie­ben wurde. Schließ­lich wurde im 17. Jahrhun­dert eine verbes­ser­te Horizon­tal­bohr­ma­schi­ne entwi­ckelt. Auf einen Schlit­ten gespannt, konnte der Holzstamm zum Bohren vorge­drückt und zum Entlee­ren der Späne zurück­ge­zo­gen werden.

Die Verbin­dung der Deichel erfolg­te auf verschie­de­ne Weise. Die natür­li­che Verbin­dung bestand aus einem angefräs­ten Konus oder zylin­dri­schen Zapfen und der entspre­chen­den Vertie­fung am anderen Ende des Rohres. Da diese verjüng­ten Zapfen sehr schnell abfaul­ten, ging man später dazu über, als Verbin­dungs­stü­cke geschmie­de­te Ringe aus Flach­ei­sen zu verwen­den. Diese Ringe hatten in der Mitte einen Wulst und wurden in ein Rohr bis zum Wulst geschla­gen, dann wurde das nächs­te Rohr angesetzt und von der anderen Seite bis zum Wulst vorge­trie­ben. Übergangs­stü­cke von Holzdei­cheln auf Tonroh­re oder gar Stahl­roh­re wurden von Hand gefer­tigt, wobei das Tonrohr in eine Vertie­fung der Deichel einge­scho­ben werden mußte. Es gab auch Rohrab­zwei­ge, bei denen das abgehen­de Rohr mit dem durch­lau­fen­den Rohr verzapft wurde. Die Nutzungs­dau­er der Holzrohr­lei­tun­gen wird sehr unter­schied­lich beurteilt. Während viele Leitun­gen nur eine Nutzungs­dau­er von 15 Jahren erreicht haben sollen, gab es auch Leitun­gen, die 100 Jahre und mehr in Betrieb waren. Ausschlag­ge­bend waren damals wie heute die Sorgfalt bei der Verle­gung und die umgeben­de Boden­art. Eine große Zahl Deicheln wurde für Instand­set­zungs­ar­bei­ten auf Lager gehal­ten. Sie schwam­men in sogenann­ten »Teichel­grä­ben«. Von Nachteil war, daß sich die Deichel höchs­tens für Drücke bis 1,5 bar eigne­ten. Die Wasser­ver­lus­te waren infol­ge der angewand­ten Verbin­dun­gen sehr hoch. Wasser aus Holzroh­ren hat muffig und erdig geschmeckt. Trotz­dem diente die Holzdei­chel über Jahrhun­der­te hinweg als in Deutsch­land meist verwen­de­tes Wasser­lei­tungs­rohr. Hierfür waren ausschließ­lich wirtschaft­li­che Gründe maßgebend.

Die Oberko­che­ner Deichel war, nach obigen Maßan­ga­ben, ein Dreizöl­ler. (1 Zoll = 2,615 cm) bei einem Außen­durch­mes­ser von ca. 25 cm. Die gerin­ge Diffe­renz entsteht durch Schwund.

Im nächs­ten Beitrag veröf­fent­li­chen wir eine sehr inter­es­san­te Zuschrift: Herr Alfons Grupp konnte das Rätsel um die Perso­nen­grup­pe vor der Holzhüt­te auf dem Volkmars­berg lösen (Bericht 119 v. 28.9.90.) Außer­dem verdan­ken wir Herrn Grupp eine Liste der ihm bekann­ten Brunnen­stel­len im alten Oberko­chen, — ein Beitrag, der den heuti­gen in hervor­ra­gen­der Weise ergänzt.

Dietrich Bantel

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