In Abänderung der Reihenfolge unserer Veröffentlichungen berichten wir aus aktuellem Anlaß über die erneute Auffindung eines Brunnenschachts aus Alt-Oberkochener Zeiten. (Siehe auch entsprechende Presseveröffentlichungen). Diese alten Brunnen, von denen Geometer Täuber aus Aalen versichert, daß sich noch viele dieser Art auf Oberkochener Gemarkung auffinden lassen, wurden spätestens mit dem in der vorangehenden Abhandlung beschriebenen Anschluß Oberkochens an die Landeswasserversorgung im Jahre 1917 aufgegeben und erfüllt. Gewiß wurden eine Reihe von Brunnen schon zu wesentlich früherer Zeit aufgegeben, — nämlich als in Oberkochen öffentliche Brunnen eingerichtet wurden, die zunächst über Holzdeichelleitungen (wir berichten demnächst), später mit gußeisernen Rohren versorgt wurden.
Nachdem erst im Juni letzten Jahres in der unteren Dreißentalstraße im alten Ortskern von Oberkochen beim Ausheben einer Baugrube ein unbekannter alter Schöpf- und Ziehbrunnenschacht entdeckt worden war, stieß die Firma Wingert beim Ausheben einer Baugrube anfangs dieser Woche erneut auf den verfüllten Schacht eines alten Gemeinschaftsbrunnens. Der Brunnen befindet sich im Bereich Kronengässle an der Aalener Straße am Rand der alten Ortsbebauung, wo bereits in der Urkarte von 1830 eine ganze Reihe von Gebäuden verzeichnet sind, unweit dem höchstgelegenen Punkt der Aalener Straße. Das 30–40 cm starke, sehr unregelmäßige Trockenmauerwerk aus Kalkbruchsteinen und Findlingen ist zwar einfach bis primitiv, hat aber die Jahrhunderte dennoch gut überstanden. Die freigelegte Tiefe beträgt etwas über 4 Meter, die Gesamttiefe des Brunnenschachts liegt bei oder über 10 m Tiefe bei einem mittleren Durchmesser von ca. 1,30 m.

Grabungstechniker Fritz Maurer vom Landesdenkmalamt Stuttgart stuft den Brunnen wiederum als neuzeitlich ein; — also nach dem Jahr 1500. Sein Alter dürfte zwischen 200 und 400 Jahren liegen. Um das Alter enger einzukreisen, müßte über die Geschichte der Erstbebauung in diesem Ortsteil mehr bekannt sein.
Wiederum ist es aufmerksamen Bürgern zu verdanken, daß ein Stück alter Ortsgeschichte nicht in Vergessenheit gerät: Der Besitzer des auf dem Foto erkennbaren Gebäudes, Herr Vinzenz Dürr, hatte bereits 1989 auf einen Brunnen in diesem Bereich hingewiesen. Herr Martin Gold war der angeschnittene Brunnen zuerst aufgefallen; er verständigte den zuständigen örtlichen Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes umgehend. Die Zusammenarbeit von Heimatverein, Städtischem Bauhof und Bürgern war vorbildlich.
Das LDA empfiehlt wiederum die Verfüllung und Überbauung des Brunnens nach genauer Vermessung samt zeichnerischer und fotografischer Dokumentation, da mit Funden erfahrungsgemäß nicht zu rechnen, und das Ausheben des gesamten Brunnens äußerst kostspielig und auch gefährlich ist.
Um diese Neuentdeckung haben sich besonders verdient gemacht Herr Vinzenz Dürr, Herr Martin Gold, Herr Schneider/Sonntag, Herrn Anton Gutheiss. Letzterer kam per Zufall an der Ausgrabungsstelle vorbei und packte spontan mit an, — im guten Häs! Im Ort hieß es noch am gleichen Tag, der Gutheiss habe im »Roasch« nach Gold gegraben, was auch zutrifft, denn jede Aufhellung unserer vergessenen oder unter dem Boden befindlichen Geschichte ist Goldes wert.
Um die beiden jüngst aufgefundenen Brunnen voneinander zu unterscheiden werden wir in Zukunft vom »Dorfbrunnen« und vom »Roaschbrunnen« sprechen.
Dietrich Bantel
Dorfbrunnen — Roaschbrunnen
Der HVO hat sich gegen der Tiefe der beiden oben genannten alten Brunnenschächte mit Herrn Dr. Bayer/Karlsruhe, unserem Oberkochener Hausgeologen, in Verbindung gesetzt. Herr Dr. Bayer konnte anhand der Lagepläne und der topographischen Karte die Tiefe der Brunnen relativ genau berechnen. Das betreffende Gelände des Dorfbrunnens beim Jägergässle liegt zwischen 5 und 6 m über dem Grundwasserspiegel. Demzufolge kann der Brunnen lt. Dr. Bayer zwischen 6,6 und 7 m tief sein. Das Gelände, auf den der Roaschbrunnen entdeckt wurde, Kronengässle, liegt 7,5 bis 8,5 m über dem Grundwasserspiegel, d.h., der Roaschbrunnen kann bis zu 9 m tief gewesen sein. (Für beide Brunnen lagen die Schätzungen demnach etwas zu hoch).