Am Sonntag, 25.6.1989, wurde ich in aller Frühe von Martin Gold/»Bär« mobili­siert. Weder er noch ich hatten eigent­lich Zeit, denn es war Stadt­fest-Sonntag, und wir hatten volles Programm. Aber der »Bär« hatte, wie meistens, recht: Tagsüber kämen wir doch nicht mehr dazu, und abends würde man verho­cken — und am nächs­ten Montag, könnte es bereits zu spät sein.

Und zwar ging es um folgen­des: Der Bär hatte in dem großen Loch um den damals noch nicht versetz­ten Linden­brun­nen etwas wie einen alten Kanal entdeckt, der durch die Aushub­ar­bei­ten angeschnit­ten worden war.

Seitens der Stadt war der Heimat­ver­ein nicht verstän­digt worden — offen­bar hatte man entwe­der den Kanal gar nicht bemerkt oder man hatte ihm zumin­dest keine Bedeu­tung beigemes­sen. Da der Zeitpunkt der Linden­brun­nen­ver­set­zung und damit die Zerstö­rung des Befun­des allem Anschein nach nicht mehr weit entfernt war (der Linden­brun­nen war 2 Tage später um diese Tages­zeit bereits versetzt), blieb uns tatsäch­lich nichts anderes übrig, als am heili­gen Sonntag­mor­gen in die Grube zu steigen — der »Bär« mit Video­ka­me­ra, ich mit Foto, Meter­maß und Zeichen­ge­rät bewaffnet.

Der Kanal­an­schnitt befand sich ca. 3 Meter vom Linden­brun­nen Richtung »Lamm« unter der ehema­li­gen Einmün­dung der Katzen­bach­stra­ße. Der Kanal­bo­den liegt genau 1.60 Meter unter dem ehema­li­gen Straßen­ni­veau. Wir legten zunächst den genau­en Querschnitt des Kanals frei und stell­ten fest, daß der Kanal 28/28 cm im Querschnitt mißt. Die Seiten­wän­de sind aus grob behaue­nem Kalkstein gemau­ert. Auch die großen Abdeck­plat­ten sind aus Kalkstein. Der Kanal­bo­den ist durch quer auf anste­hen­des verdich­te­tes Materi­al geleg­te Backstei­ne mit der ungewöhn­li­chen Abmes­sung 5,5÷15÷28 cm gebil­det. Aus der Zeit, als der Katzen­bach noch nicht geteert war, ist in den Kanal eine stein­hart gewor­de­ne Kalkschlemm­schicht einge­schwemmt, die 10–15 cm dick ist. Woher der Kanal kommt, war nicht festzu­stel­len — jeden­falls zieht er in einem leich­ten Bogen Richtung »Ochsen«.

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Nach Auskunft von Herrn Ribarek vom Stadt­bau­amt ist der Verlauf dieses Kanals auf den vorlie­gen­den Kanali­sa­ti­ons­plä­nen nicht, auch nicht als ehema­li­ger Kanal gestri­chelt einge­zeich­net. Er wird seitens des Stadt­bau­amts als »wohl im letzten Jahrhun­dert gebaut« bezeich­net. Mögli­cher­wei­se ist er älter.

Sollte durch Zufall jemand irgend­et­was über diesen Kanal, der nicht im Zusam­men­hang mit dem alten Holzdei­chel­rohr­netz, sondern mit einem Abwas­ser­sys­tem zu sehen ist, wissen, so sind wir für Mittei­lung dankbar. Fest steht, daß der Kanal hervor­ra­gend gearbei­tet ist, und, daß er aufgrund der sonntäg­li­chen Aktion für die Nachwelt »konser­viert« werden konnte, wenn wir auch aller­lei Kommen­ta­re der frühe­ren Kirch­gän­ger einste­cken mußten.

Auf unserem Übersichts­fo­to (1) ist ein weite­res angeschnit­te­nes »moder­nes«, nicht mehr benütz­tes Abwas­ser­rohr zu sehen, das den Querschnitt eines Kreis­seg­men­tes aufweist. Es handelt sich um ein Beton­guß­rohr. Die schlun­ze­ri­ge Verfül­lung roch nicht beson­ders appetitlich.

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