Die »Kocher­zei­tung« berich­tet am 25. April 1911 über diesen Vorfall, der damals wohl aus zwei Gründen ganz Oberko­chen bewegt hat. Da die Kapel­le in der Fasten- und Oster­zeit häufig auch von auswär­ti­gen Betern besucht wurde, dürfte »die Beute des Einbre­chers nicht einmal gering ausge­fal­len« sein, obwohl Ostern 1911 schon am 16. April gewesen war. Außer­dem wurden zur mögli­chen Aufklä­rung des Falles beson­de­re krimi­nal­tech­ni­sche Mittel einge­setzt. Doch zunächst lassen wir uns die Situa­ti­on schildern:

Als der Mesner am Morgen des 25. April die Kapel­le aufschloß, traf ihn beina­he der Schlag: Der gesam­te Opfer­stock war heraus­ge­ris­sen und verschwun­den! Rasch herbei­ge­ru­fe­ne Bürger fanden den Opfer­stock zwar in der Nähe des Bahndamms, jedoch fehlte die Opfer­büch­se samt Inhalt. Die Unter­su­chung des Tatorts ergab, daß der Dieb wohl am Tag zuvor den Fenster­rie­gel zurück­ge­scho­ben hatte. So konnte er in der Nacht nach Heraus­bre­chen einer Stange des Fenster­git­ters in die Kapel­le eindrin­gen und dort sein schänd­li­ches Werk tun.

Da die Kapel­le schon mehrmals zuvor das Ziel von Einbre­chern mit offen­sicht­lich guten Ortskennt­nis­sen gewesen war, wollte man bei der Aufklä­rung des neuer­li­chen Einbruchs Nägel mit Köpfen machen und forder­te deshalb aus Aalen einen Spürhund an. Darüber berich­tet der Chronist in der Presse:

»Telefo­nisch wurde »Sherlock« herbei­ge­ru­fen. Da man schon soviel von demsel­ben gehört und gelesen hatte, wollte ihn jeder­mann sehen. Infol­ge­des­sen sammel­te sich mittags um zwei Uhr, wo er erwar­tet wurde, eine solche Menge Leute auf dem Bahnhof an, wie es sonst nur bei wichti­gen Veran­las­sun­gen zu sein pflegt. Die Neugier­de wurde aber diesmal noch nicht befrie­digt, da »Sherlock« erst um 5.28 Uhr eintraf, wo er von der gleich großen Menge empfan­gen wurde. Nachdem er am Tatort Witte­rung genom­men hatte, eilte er auf den Opfer­stock zu, wo er nochmals Witte­rung nahm, und dann den Stati­ons­weg entlang bis zur Staats­stra­ße Oberko­chen-Unter­ko­chen eilte, wo er aber die Spur verlor und zurück­ge­bracht werden mußte. Zum zweiten Mal nahm er Witte­rung, machte densel­ben Weg bis an die Straße, folgte ihr eine Zeitlang, ging dann bald rechts in den Wald, wo er bald wieder die Spur verlor, so daß er, da die Zeit schon ziemlich voran­ge­schrit­ten war, erfolg­los abzie­hen mußte. — Leider.«

Damit endete die vergeb­li­che Suche nach dem Einbre­cher und Dieb, der vielleicht sogar im Schut­ze der schau­lus­ti­gen Menge das Spekta­kel des Spürhund­e­in­sat­zes beobach­tet hatte.

Oberkochen

Das Bild zeigt die Wiesen­ka­pel­le, die 1819 anstel­le einer kleine­ren Kapel­le erbaut bis 1950 stand und dann zuguns­ten der neuen »Maria-Schutz-Kapel­le« im Gewand Weingar­ten abgebro­chen wurde. Die Oberamts­be­schrei­bung von 1906 bezeich­net die Wiesen­ka­pel­le als »Kapel­le zum gegei­ßel­ten Chris­tus (‘Wiesen­herr­gott’), da 1755 in der Kapel­le als Dank für eine Wunder­hei­lung der »Wiesen­herr­gott«, das Bild des gegei­ßel­ten Chris­tus, angebracht worden war. Auch das z.B. im Oberko­che­ner Heimat­buch auf Seite 80 wieder­ge­ge­be­ne Oberko­chen­bild eines bislang noch unbekann­ten Malers von 1847 zeigt die Wiesen­ka­pel­le, die damals noch ein gutes Stück außer­halb des Dorfes lag.

Volkmar Schrenk

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