Wenn man heute von Ziegel­hüt­te spricht, denkt man an die Ziegel­hüt­te von Königs­bronn, knapp jenseits der Wasser­schei­de, dort, wo der Ziegel­bach, dessen Wasser auch das Einzugs­ge­biet des Wollen­lochs umfaßt, aus dem Fels tritt.

Nur wenige Oberko­che­ner wissen, daß es auch in Oberko­chen eine Ziegel­hüt­te gegeben hat. Sie stand bis 1919 draußen beim Olwei­her auf dem Grund­stück des heuti­gen Wohnge­bäu­des Leitz, heute Leitzstraße.

Im Jahre 1830, als die erste exakte Karte vom König­reich Württem­berg, die sogenann­te »Urkar­te«, erstellt wurde, ist die Ziegel­hüt­te am Ölwei­her noch nicht vorhan­den. Sie wurde im Jahre 1840 von Johann Micha­el Gold errich­tet, und zwar genau südlich der seit 1498 bestehen­den Schleif­müh­le am Ölwei­her. Johann Micha­el Gold hatte 5 Söhne, die die Beleg­schaft bilde­ten und den Oberko­che­ner Unter­neh­mer in unermüd­li­cher Arbeit zum »Lettaba­ron« machten. Im Jahre 1854 findet die Oberko­che­ner Ziegel­hüt­te bereits Aufnah­me in der Oberamts­be­schrei­bung. Dort ist unter Oberko­chen zu lesen: Ziegel­hüt­te, zunächst am Dorf, Haus, 5 kath. Einwohner.

Weite­re 50 Jahre später ist in dem 1906 erschie­ne­nen Werk »Das König­reich Württem­berg« unter Oberko­chen nachzu­le­sen: Ziegel­hüt­te, Häuser, 8 Einwoh­ner, im 19. Jahrhun­dert entstanden.

Zu diesem Zeitpunkt war Sohn Carl Gold, Ziegler, (1849−1930) Besit­zer der Ziege­lei. Der Name »Ziegler« hat sich für diesen Zweig der Gold’schen Linie übrigens bis auf den heuti­gen Tag als Hausna­me erhal­ten. Das Wohnge­bäu­de hatte die Hausnum­mer 191, die Ziege­lei die Nummer 192.

Unser Situa­ti­ons­plan vom 19.10.1891 zeigt das Anwesen Albert Leitz, Bohrer­fa­bri­kant, beim Olwei­her, und das Anwesen Carl Gold, Ziege­lei­be­sit­zer, — getrennt durch den Vizinal­weg Nr. 9 (350÷5), der nach dem Abbruch der Ziegel­hüt­te in Ziegel­stra­ße umbenannt wurde.

Oberkochen

Ab 1900 liefen die Geschäf­te nicht mehr so gut. Die Konkur­renz war gewach­sen und zudem wurde in zuneh­men­dem Maß die Quali­tät der Ziegel beanstan­det. Im Lehm, dem sogenann­ten »Letta«, (Letten), der anfangs noch mit den Füßen getre­ten, gestampf und gekne­tet worden war, — die Ziegel waren mit gespreiz­ten Fingern von Hand geformt und gestri­chen, — befan­den sich sogenann­te Kalkein­schlüs­se, die im Laufe der Zeit bewirk­ten, daß aus den Dachplat­ten, wenn sie feucht wurden, kleine Teile heraus­ge­sprengt wurden.

So entschloß sich Carl Gold, das Anwesen an die schnell expan­die­ren­den Bohrer­fa­bri­kan­ten Leitz am Ölwei­her zu verkau­fen, der damals auch »Ziegel­wei­her« hieß.

Aus dem Jahre 1919 liegt ein Bauge­such der Gebrü­der Leitz bei den Bauak­ten auf dem Rathaus, wonach anstel­le der Ziege­lei ein Schup­pen (Remise) gebaut werden sollte. Der Gold’sche Grund war zu diesem Zeitpunkt bereits in Leitz’schem Besitz.

Im Lageplan im Bauge­such vom 25.10.1919, von Schult­heiß Frank unter­zeich­net, sind sowohl Ziege­lei zum Abbruch (gelb) als auch Remise an deren Stelle zum Neubau (rot) überein­an­der­ge­zeich­net. Die Fa. Gebr. Leitz hatte sich von 1891 bis 1919 von 2 auf 6 Gebäu­de vergrößert.

Bereits ein halbes Jahr später, in einem Bauge­such der Fa. Leitz für 2 weite­re neue Fabri­ka­ti­ons­ge­bäu­de, (Lageplan vom 9.4.1920), ist anstel­le der Ziege­lei nur noch der inzwi­schen errich­te­te Schup­pen einge­zeich­net. Es kann also mit Sicher­heit festge­stellt werden, daß die Oberko­che­ner Gold’sche Ziegel­hüt­te (Gebäu­de 192) im Jahr 1919 abgebro­chen wurde.

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Circa 10 Jahre später, mit Bauge­neh­mi­gung vom 18.6.1929, ließ Fabri­kant Albert Leitz auch das alte Ziege­lei-Ökono­mie­ge­bäu­de samt Wohnhaus (Gebäu­de Nr. 191) abbre­chen und an seiner Stelle das noch heute bestehen­de Wohnge­bäu­de Leitz errich­ten. Es entstand fast ausschließ­lich anstel­le der erst 1919 erwei­ter­ten Stallungs­ge­bäu­de, zumeist Pferdestallungen.

In einem Bauplan von 1940 ist dann auch der Schup­pen (Remise) verschwun­den. An seiner Stelle befin­det sich die Eintra­gung »Gemüse­gar­ten«.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die in Erinne­rung an die Oberko­che­ner Ziegel­hüt­te so benann­te Ziegel­stra­ße in Wachol­der­stei­ge umgetauft; in den 70er-Jahren wurde der Straßen­teil ab dem Portier­haus der Fa. Gebr. Leitz bis zum Staat­li­chen Forst­amt dann in Leitz­stra­ße umbenannt. Der fast ebene untere Teil der Straße zur Heiden­hei­mer Straße heißt noch Wacholdersteige.

Von Inter­es­se im Zusam­men­hang mit der Oberko­che­ner Ziegel­hüt­te ist eine topogra­phi­sche Karte von 1926 aus dem Besitz von Altstadt­bau­meis­ter Helmut Kranz, in welcher die bereits 7 Jahre zuvor abgebro­che­ne Ziegel­hüt­te immer noch als solche einge­tra­gen ist.

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Unser Foto (2), am 14.10.1876 von Fotograf Boppel, Heiden­heim, aufge­nom­men, zeigt die 4 Gebäu­de am Ölwei­her, — von links nach rechts: die beiden Gebäu­de direkt am Ölwei­her sind die des Bohrer­fa­bri­kan­ten Albert Leitz, — die Keimzel­le der Firma Gebr. Leitz, — dann folgen die Ziege­lei und Ökono­mie- und Wohnge­bäu­de des Carl Gold, Ziegler. Der helle Bogen unter­halb der rechten oberen Bilde­cke ist der Kocher, — das gerade Stück Weg, das in die linke obere Bilde­cke führt, ist der Vizinal­weg Nr. 9, später Ziegel­stra­ße, später Wachol­der­stei­ge, heute Leitz­stra­ße. Dieses Foto stammt aus der Sammlung unseres verstor­be­nen Mitglieds Kuno Gold, direk­ter Nachfah­re des Johann Micha­el Gold, Ziege­lei­be­grün­der, (1816−1871).

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