In dem, dem Heimat­ver­ein von Peter Schup­ke überlas­se­nen Sammel­band »Deutscher Hausschatz« aus dem Jahr 1907/08 steht auf den Seiten 417 ff ein faszi­nie­ren­der Bericht über die Planung eines Kanals, der das Mittel­meer mit der Nordsee verbin­den sollte. Das kühne Projekt des italie­ni­schen Wasser­bau­tech­ni­kers Camina­da aus dieser Zeit sieht vor, die Alpen etwa unter dem Splügen­pass mittels Kammer­schleu­sen und einem Tunnel zu überwin­den. (Die Trasse ist auf der abgebil­de­ten Karte erkenn­bar). Ein Teil des Kanals (43 km) wäre in einem Röhren­sys­tem verlaufen.

In diesem Artikel wird von dem Verfas­ser Quaink darauf verwie­sen, daß der ältes­te Kanal mit Schleu­sen bereits im 14. Jahrhun­dert in Mailand gebaut wurde. Die ersten zuver­läs­si­gen Berich­te über Kammer­schleu­sen befin­den sich lt. dieser Abhand­lung in einem im Jahr 1452 von dem Pries­ter Leon B. Alber­ti heraus­ge­ge­be­nen Werk. Den Italie­nern werden die ersten Entde­ckun­gen auf dem Gebiet der Hydrau­lik und der Hydro­sta­tik zugeschrieben.

Unsere Abbil­dung ist dem obigen Bericht entnommen.

Oberkochen

Vor dem Hinter­grund dieses Artikels scheint ein Kanal von der Nordsee über Rhein, Neckar, die europäi­sche Wasser­schei­de auf der Schwä­bi­schen Alb und irgend­wie hinab zur Donau wie ein Kinder­spiel. Und in der Tat sind über die Jahrhun­der­te eine Reihe von Überle­gun­gen angestellt worden, ob, und wie ein solcher Kanal zu bauen wäre.

Im Aalener Jahrbuch 1988 ist eine länge­re, von Archiv­lei­ter Karlheinz Bauer verfass­te Abhand­lung (Seiten 270 bis 284) erschie­nen, in der der Stadt­ar­chi­var die Planung einer inter­na­tio­na­len Großschif­fahrts­stra­ße vom Atlan­tik zum Schwar­zen Meer beschreibt. Eine von mehre­ren über lange Zeit hinweg verfolg­te Planung, für die sich bis in unsere Zeit hinein selbst Oberbür­ger­meis­ter Schübel noch vehement einge­setzt hat, sollte an Oberko­chen vorbei über die Kocher-Brenz­ach­se führen.

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Herrn Archi­var Bauer bringen wir im Rahmen unserer heimat­kund­li­chen Bericht­erstat­tung unsere Zusam­men­fas­sung dieser spannen­den Abhandlung.

Der Ansatz ist auch bei Archi­var Bauer ein histo­ri­scher, demzu­fol­ge bereits unter Karl dem Großen im Jahr 793 ein Kanal­bau zur Verbin­dung von Main und Donau begon­nen wurde. Eine 1300 m lange und 48 m breite Bautras­se bei Treucht­lin­gen in Bayern mit einem 12 m tiefen ferti­gen Einschnitt an der Wasser­schei­de besteht bis heute als Fragment aus dieser Zeit. Ein zweiter Plan zum gleichen Thema geht auf Graf Wolfgang Julius von Hohen­lo­he, Mitte des 17. Jahrhun­derts, zurück.

König Ludwig I. von Bayern — der Großva­ter des Märchen­kö­nigs und Schlös­ser­bau­ers Ludwig II. von Bayern, hat neue Planun­gen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts in Angriff genom­men. Der Ludwig­ka­nal wurde dann im Jahre 1836 begon­nen und tatsäch­lich bereits 9 Jahre später, im Jahr 1845, vollendet. Der Kanal führt vom Main über Bamberg der Regnitz entlang weiter über Forch­heim, Erlan­gen, Fürth, Nürnberg, Neumarkt und mündet über die Altmühl bei Kelheim in die Donau.

Kaum fertig gestellt geriet der klein dimen­sio­nier­te Kanal in Konkur­renz­kampf mit der Eisen­bahn, die schon wenig später erfun­den wurde.

Etwas früher, gleich zu Beginn des 19. Jahrhun­derts (1802) hatte Herzog Fried­rich II., der späte­re König Fried­rich I. von Württem­berg, eine wesent­lich kompli­zier­te­re und gewal­ti­ge­re Planung in Auftrag gegeben. Wohl hatte der Bayern­kö­nig gedacht, ihm sei der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach, als er gut 30 Jahre später den Ludwigs­ka­nal bauen ließ. Nach der Vorstel­lung von Fried­rich sollte der Rhein-Donau-Verbin­dungs­ka­nal über Rems, Kocher und die Brenz geführt werden, unter Ausnüt­zung der Brenz­quel­le (1200 1/sec) und des Kocher­ur­sprungs (900 1/sec). Auch diese Pläne verzö­ger­ten sich immer weiter auf der Suche nach Geldge­bern, durch den Bau des Ludwigs­ka­nals und später durch die drohen­de Eisen­bahn­kon­kur­renz. Vor ungefähr 100 Jahren schien es dennoch ernst zu werden. Die Stadt Aalen blieb offen­bar nüchtern und versag­te am 26. März 1890 eine finan­zi­el­le Betei­li­gung bei der inzwi­schen gegrün­de­ten priva­ten Inter­es­sen­ge­mein­schaft zum Bau des Kanals über Württem­ber­ger Gebiet. Die Wasser­stra­ßen erwie­sen sich trotz­dem noch immer als wirtschaftlich.

Oberkochen
Oberkochen

Karlheinz Bauer schreibt zur geplan­ten Trasse:

Die Kanal­li­nie sollte bei Neckar­rems vom Neckar abzwei­gen und dem linken Remsufer bis Waiblin­gen folgen, dort die Rems kreuzen und bis oberhalb Schorn­dorf dem rechten Ufer entlang gehen. Nach Überset­zung des Schorn­bach- und Wieslauf­tals sollte sie bei Oberur­bach die Rems zum zweiten­mal kreuzen und von dort teils auf dem linken Ufer, teils (durch die Städte Lorch und Gmünd) im bestehen­den Remsbett weiter­füh­ren. Oberhalb von Gmünd wird das Remstal zu eng und zeigt ein zu starkes Gefäl­le, auch versper­ren einige Ortschaf­ten den Weg. Deshalb sollte der Kanal oberhalb von Gmünd auf dem linken Talhang bei Oberbett­rin­gen geführt werden und von dort auf der Vorter­ras­se der Alb am Fuße des Rosen­steins weiter­zie­hen, bis er unter­halb des Bahnhofs Essin­gen erneut ins Remstal gelangt.

Die westöst­li­che Richtung des Remstals würde von dem Kanal auch in der Fortset­zung durch das Tal der Aal, in das er hinter Essin­gen einträ­te, beibe­hal­ten. Erst bei Aalen sollte die Kanal­li­nie in schar­fem Bogen nach Süden umbie­gen und zwischen Oberko­chen und Königs­bronn die europäi­sche Wasser­schei­de durch­fah­ren. Von Königs­bronn ab sollte die Linie dem Brenz­tal bis Herbrech­tin­gen in nordsüd­li­cher Richtung und von da in Richtung Südos­ten bis ins Donau­tal folgen, das in der Nähe von Lauin­gen erreicht würde. Die Gesamt­län­ge des Kanals war auf 115 km bezif­fert. Auf dieser Länge waren 23 Staustu­fen geplant. Direkt bei Oberko­chen wäre das höchst­ge­le­ge­ne Hebewerk zu liegen gekom­men, mit einem Hub von 16 m.

Dieser Plan geriet zu Beginn des 20. Jahrhun­derts in Konkur­renz mit einer noch kühne­ren Trassen­füh­rung. Der inzwi­schen gegrün­de­te Südwest­deut­sche Kanal­ver­ein favori­sier­te die sogenann­te Filst­al­va­ri­an­te trotz der techni­schen Schwie­rig­kei­ten bei der Albüber­que­rung, die vermit­telst eines 20 km langen Tunnels, im übrigen mit 28 Schleu­sen geplant war. (An dieser Stelle sei nochmals auf den eingangs erwähn­ten Kanal über die Alpen erwähnt. Der dort geplan­te Tunnel zur Passun­ter­que­rung in ca. 1300 m Meeres­hö­he war auf eine Länge von 15 km errechnet.)

Am 27. April 1920 beschloß die Natio­nal­ver­samm­lung den Bau des Neckar­ka­nals von Mannheim bis Plochingen.

Während des 3. Reiches, — Entschei­den­des hatte sich noch immer nicht getan, — formier­ten sich die Verfech­ter der Kocher-Brenz-Achse erneut für ihre Lösung.

Wenn zwei sich strei­ten freut sich der Dritte. 1938 starben dann beide Planun­gen endgül­tig zuguns­ten einer neuen Kanal­füh­rung über den Main. Die Neckar­ka­na­li­sie­rung wurde, wie beschlos­sen, bis Plochin­gen durch­ge­führt und 1968 abgeschlossen.

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