Fragen zu Bild 10:
Wann ist diese Aufnah­me entstan­den?
Wie nannte man damals die auf unserem Foto abgelich­te­te Straße?
Wie heißt diese Straße heute?

Oberkochen

Lösung zu Bild 10:
Das Bild ist im Jahr 1930 entstan­den. Offizi­ell hieß die Heiden­hei­mer Straße damals »Langstra­ße«. Gesagt wurde »Langgass«.

»Langgass« = Heiden­hei­mer Straße

Herr Unfried liefer­te in dankens­wer­ter Weise die Fakten für die Beschrei­bung der Postkar­te, die seiner­zeit mit großer Wahrschein­lich­keit von dem Postkar­ten­ver­lag A. Weber u. Co., Stutt­gart, angefer­tigt wurde, mit dem die Firma Unfried zusammenarbeitete.

Anhalts­punkt für die Entste­hungs­zeit ist das 1930 im Umbau befind­li­che Haus Unfried (Paul) und Uhl (Josef). Im Giebel des um ein Stock­werk erhöh­ten Gebäu­des ist die Giebel­mau­er des Vorgän­ger­hau­ses (Minder) erhal­ten. Der alte Giebel ist in der bis zum neuen Trauf hochge­mau­er­ten Giebel­mau­er deutlich ables­bar. Ables­bar ist auch, daß die alte Trauf­hö­he des Hauses Minder zur Straße nur ca. 2 m betra­gen hatte. Ab dem neuen Trauf wurde der neue Giebel in ausge­rie­gel­tem Fachwerk errich­tet. Bereits im Juli wurde das Haus Unfried/Uhl verputzt, — d. h., das Foto entstand wohl im Frühjahr.

Das im rechten Bildrand angeschnit­te­ne Haus mit dem Stein­stu­fen­auf­gang und dem Gelän­der (Georg Wick), heute Brunn­hu­ber, steht, umgebaut, noch heute.

Dagegen sind die 3 darauf Richtung Ortsmit­te folgen­den Gebäude, -

1) das Haus des frühe­ren Gemein­de­pfle­gers Gold mit dem großen steilen Giebel zur Straße
2) das zurück­ver­setz­te und deshalb kaum sicht­ba­re Haus Joas und »Pauli­ne« Schmid
3) das ebenfalls stark zurück­ver­setz­te Bauern­haus mit Scheu­ern­tor (Stadel­tor) Anton und There­sia Uhl (Uhla Theres) mit Vorgarten

im Jahre 1957 der Errich­tung eines großen Fabrik­ge­bäu­des der Firma Bäuerle direkt an der Heiden­hei­mer Straße zum Opfer gefal­len. Infol­ge wirtschaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten mußte dieses ältes­te Oberko­che­ner Indus­trie­un­ter­neh­men (1860) die Produk­ti­on im Jahre 1974 aufge­ben. Das Gebäu­de ist seither unter dem Namen »Norma«, die sich darin nieder­ge­las­sen hat, bekannt, — ein Bauwerk, das der Heiden­hei­mer Straße nicht gerade zur Zierde gereicht.

Hinter dem bereits erwähn­ten Neubau Unfried/Uhl schaut knapp der weiße Giebel des Hauses »Scherr« heraus, das sich heute noch, von außen, im Zustand von damals befindet.

Der letzte wieder etwas gegen die Straße versetz­te Fachwerk­gie­bel ist der des Bauern­hau­ses Micha­el und Josef Wingert (Sparkas­sen­win­gert).

Das auf der linken Seite vorne angeschnit­te­ne Haus ist das Gebäu­de des Victor Oppold. Daneben steht das Bauern­haus Wingert-Häfner. Die weite­ren Gebäu­de sind in der Straßen­krüm­mung verbor­gen. Erst weiter hinten werden die Gebäu­de »Rössle«, »Herrgotts­häf­ner« und das alte Rathaus vage erkennbar.

Die »Misten« befin­den sich vor den Bauern­häu­sern gegen die Straße. (Ich erinne­re mich, daß man zu der Zeit, als ich nach Oberko­chen kam, 1962, den Katzen­bach noch die Misthau­fen­al­lee« nannte.) Aus Platz­grün­den im hinte­ren Hofbe­reich wurden die Leiter­wa­gen der Landwir­te im vorde­ren Hofbe­reich abgestellt.

Die Straße hatte einen festge­walz­ten Kalkstein­be­lag, der bei stärke­rem Regen jeweils aufweich­te, — Schlag­lö­cher und Pfützen. Links und rechts der Straße sind die gepflas­ter­ten Kandeln zu erken­nen, welche das Regen­was­ser usw. aufnah­men und in teilwei­se offenen Kanälen in den Kocher abführten.

Die hölzer­nen Masten tragen die Telefon­lei­tun­gen. Laut Auskunft des Fernmel­de­amts Ulm gab es in Oberko­chen, das 1930 ca. 1650 Einwoh­ner zählte, (1925: 1524, 1933: 1704) 29 Telefon­an­schlüs­se, — heute sind es 3487 bei 7910 Einwoh­nern lt. Haushalts­plan für das Jahr 1988. Der Strom wurde damals über Dachstän­der von Haus zu Haus weiter­ge­führt (auf dem Haus Unfried erkennbar).

Das Gespann im Vorder­grund links bringt weiter dörfli­che Note ins Bild; der Wagen mit eisen­be­reif­ten Rädern wird von einem kräfti­gen Ochsen gezogen. Die Bäuerin, auf dem Wagen sitzend, ist die Mutter des Karl Seitz sen., der das Gespann führt. Auffal­lend sind die vielen Kinder, — auf dem Origi­nal­fo­to sind 14 Kinder zu erken­nen. Eine Reihe von Leuten sind zu Fuß unter­wegs, — Gänse schnat­tern dazu, — ein Bild des Friedens. — Die Wolken am Horizont sind nicht zu erken­nen: nur 3 Jahre später, am 7.7.33. fand die Macht­über­nah­me auf dem Oberko­che­ner Rathaus statt.

Herr Engel­bert Mager aus Pfedelbach/Oberohrn sandte uns unter dem Titel »Das Leben im Dorf nach dem Ersten Weltkrieg« einen anschau­li­chen Bericht, der das Leben im Dorf ca. 10 Jahre vor unserem Bild beschreibt.

Als früher noch fahren­des Volk mit von Pferden gezoge­nen Wohnwa­gen durch die Lande zogen, wenige Benzin­fahr­zeu­ge riesi­ge Staub­wol­ken auf den ungeteer­ten Straßen hinter sich aufwir­bel­ten, Stein­klop­fer mit Rupfen an Straßen­rän­dern sich vor Wind und Wetter schütz­ten, Scheren­schlei­fer und Schirm­fli­cker ihre Diens­te anboten, Altei­sen­händ­ler nach Schrott suchten, Bären­trei­ber mit Geklim­per ihre Tiere tanzen ließen (seit langem verbo­ten), Fegsand­ver­käu­fer ihre Ware den Frauen zu Reini­gungs­zwe­cken ausrie­fen, fahren­de Musikan­ten ihre Weisen darbo­ten, Haustier­kot die Straßen »zierte«, konnten sich die Menschen ohne große Vorsicht inner­halb der Gemein­we­sen bewegen.

Die Bevöl­ke­rung trug feste Schuhe und Wollstrümp­fe, die Männer und Kinder an Werkta­gen benagel­te Stiefel mit Eisen an Absatz und Spitze. Die Schuhe wurden meist vom Schus­ter in Handar­beit angefer­tigt. Vom Spätfrüh­jahr bis zum Frühherbst tummel­te sich die Jugend an warmen Tagen barfuß auf der »Gass«. Dies war oft gefähr­lich, da Glasscher­ben und Nägel häufig Verlet­zun­gen an den Füßen hervor­rie­fen. Männer und Frauen trugen einfa­che Kleidung, letzte­re Röcke bis auf den Boden.

Das Leben der Kinder spiel­te sich winters und sommers meist inner­halb des Ortes ab. Im Winter vergnüg­ten sie sich im harten Schnee mit Schlitt­schu­hen, Rodeln oder mit Faßdau­ben als Skier­satz, wobei die primi­ti­ve Bindung selbst angebracht wurde. In den übrigen Jahres­zei­ten hatten sie an oft periodisch auftre­ten­den Spiel­ar­ten ihren Spaß. Durch­gän­gig sah man Mädchen an Mauern und Hauswän­den wie sie in artis­ti­scher Weise über ihrem, mit, unter und um ihren Körper Bälle zur Wand jonglier­ten. Beliebt waren Seiltan­zen und solche Spiele, die heute in Kinder­gär­ten und Sport­hal­len gepflegt werden. Die Jungen erfreu­ten sich mit großen runden eiser­nen Reifen, von einem Stab angetrie­ben. Damit sausten sie durch die Straßen des Orts. Zeitwei­se stakten sie auf selbst­ge­bas­tel­ten Stelzen auf Straßen und Wegen. Hin und wieder zeigten sich Schuh­putz- oder Wasch­mit­tel­wer­ber auf riesi­gen Stelzen — sie konnten in die oberen Stock­wer­ke der Häuser blicken. Einem letzte­ren wurde einmal nachge­ru­fen: »Komm Imi, mer ganget Ata!«, Marken, die damals schon gängig waren. Sehr gefähr­lich konnte es werden, wenn kräfti­ge Jungen mit leich­te­ren im Nacken bei Kampf­spie­len versuch­ten, einan­der abzuwer­fen. Dies fand, wie das »Spach­teln« mit spitzen Holzpföst­chen, auf weichem Rasen­bo­den statt, wobei versucht wurde, die Stickel der andern aus dem Boden zu schla­gen, um als Sieger den Platz zu behaup­ten. Mit Geiseln wurden Kreisel zum Rotie­ren gebracht. Man nannte dies — wohl nur in Oberko­chen — »Balle­d­an­zer«. Vergnü­gen berei­te­te auch das Peitschen­knal­len, wobei es jeder lauter fertig­brin­gen wollte. — Beliebt bei Mädchen und Buben war eine Art Miniboc­cia mit kleinen Murmeln, »Hotzel« genannt, ein Ausdruck, der wie »Balle­d­an­zer« in keinem Duden zu finden ist. Die Kügel­chen bestan­den aus farbi­gem Glas oder Ton. Eine Frau aus Oberko­chen, deren Kinder viele ihrer »Hotzel« beim Spielen verlo­ren hatten, versuch­te im Kaufhaus Wanner am ehema­li­gen Sprit­zen­haus­platz in Aalen welche zu kaufen; sie kam aber zum Leidwe­sen der Spröß­lin­ge unver­rich­te­ter Dinge nach Hause, denn »Hotzel« kannte man nicht im Laden. Natür­lich dienten die Straßen und Plätze auch dem Fußball­spiel. Glaser­meis­ter Wingert mußte oft zersplit­ter­te Fenster­schei­ben neu einset­zen. Meines Wissens wurde ein Fußball­platz für das Dorf erst später der Jugend zur Verfü­gung gestellt.

Heute begeg­net man wenig spielen­den Kindern auf den öffent­li­chen Straßen der Gemein­we­sen. Umfang­rei­che Anlagen für die verschie­de­nen Sport­ar­ten und Spiel­mög­lich­kei­ten, der überstei­ger­te Verkehr mit seinen Gefah­ren und — nicht zu verges­sen — die »Glotze« verbann­te die Jugend aus den Straßen der Städte und Dörfer. Sehr zu begrü­ßen ist, daß heute von vielen Gemein­de­ver­wal­tun­gen Neben­we­ge als Spiel­stra­ßen angelegt und ausge­schil­dert werden, um so für die Jugend in der Wohnun­gen Oasen zu fröhli­chem Treiben zu gewin­nen, geschützt vom Durchgangsverkehr.

Engel­bert Mager

Fragen zu Bild 11:
Wie laute­te der Hausna­me und der Famili­en­na­me des Besit­zers dieses Gebäu­des?
Wo stand dieses Gebäu­de, und weshalb steht es heute nicht mehr?
Wann entstand die Aufnahme?

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