Anläß­lich des Festabends zum 650-jähri­gen Jubilä­um der Katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de hielt Gymna­si­al­pro­fes­sor Albert Seckler am 9. Oktober 1993 den Festvor­trag. Auf vielfa­chen Wunsch haben wir diesen vielbe­ach­te­ten und äußerst inter­es­san­ten Vortrag nachste­hend in vollem Wortlaut abgedruckt:

Liebe Pfarr­an­ge­hö­ri­ge von Peter und Paul, liebe Evange­li­sche Mitchris­ten, meine Damen und Herren!

»Die Geschich­te einer Kirchen­ge­mein­de kann, auch wenn sie chrono­lo­gisch (also der Zeit nach geord­net) darge­stellt wird, nicht ledig­lich Chronik sein, denn die Kirchen­ge­mein­de ist auch heute noch weit mehr als jede andere politi­sche oder gesell­schaft­li­che Körper­schaft: In ihr findet der Weg des Menschen zu Gott seine Ausfor­mung und Zielgerichtetheit.«

Mit diesen Worten hat Rudolf Heite­le im Oberko­che­ner Stadt­buch seinen Beitrag: »Geschich­te der katho­li­schen Pfarr­ge­mein­de St. Peter und Paul in Oberko­chen« einge­lei­tet. Nach mehre­ren Vorar­bei­ten — stell­ver­tre­tend nenne ich Veröf­fent­li­chun­gen von Franz Balle und Josef Tritt­ler — hat er damit erstmals eine in sich geschlos­se­ne, umfang­rei­che Darstel­lung vorge­legt, deren Lektü­re sich lohnt.

Im Rahmen des heuti­gen Festabends, bei dem neben Vortrag und Theater ja auch die Gesel­lig­keit nicht zu kurz kommen soll. 650 Jahre der kirch­li­chen Entwick­lung Oberko­chens auch nur einiger­ma­ßen vollstän­dig nachzeich­nen zu wollen, ist unmög­lich. Ich habe mich deshalb entschlos­sen, das Auf und Ab der über viele Jahrhun­der­te hinweg sehr kleinen Kirchen­ge­mein­de am Kocher­ur­sprung ledig­lich Anhang einiger weniger Querschnit­te und Schwer­punk­te zu verfol­gen. Diese will ich in den Zusam­men­hang mit der allge­mei­nen Kirchen­ge­schich­te bringen, die im Mittel­al­ter bis weit in die Neuzeit hinein eng mit der weltli­chen Geschich­te verbun­den ist. Allge­mein­ver­stän­dig­keit soll dabei unbeding­ten Vorrang vor der wissen­schaft­lich genau­en Arbeits­wei­se mit ausführ­li­cher Quellen­an­ga­be haben. Und: so oft wie nur möglich soll die Brücke von der Vergan­gen­heit zu unserer heuti­gen Welt geschla­gen werden, in der — nüchtern betrach­tet — die Kirche, besser: die Kirchen für immer mehr Menschen einen immer gerin­ge­ren Stellen­wert einnehmen.

Nach dem derzei­ti­gen Stand der heimat­ge­schicht­li­chen Forschung hat es spätes­tens seit dem Gallus­tag 1343, also dem 16. Oktober dieses Jahres, eine eigen­stän­di­ge Pfarrei Oberko­chen gegeben, wie eine im Staats­ar­chiv Ludwigs­burg befind­li­che, am 8. Oktober in BuG abgedruck­te Urkun­de zeigt. Trotz aller Bemühun­gen vor allem von Marika und Joachim Kämme­rer hat sich das Origi­nal eines 7 Monate älteren Kaufbrie­fes des Ellwan­ger Abtes Cuno vom 16. März 1343 bisher nicht finden lassen. Für unser Jubilä­um ist aber die Haupt­sa­che, daß das Jahr 1343 einwand­frei gesichert ist:

Diese ältes­te nachge­wie­se­ne Pfarrei hatte als Kirchen­pa­tron nur den Hl. Petrus; das uns heute vertrau­te doppel­te Patro­zi­ni­um St. Peter und Paul läßt sich erst 400 J. später, ab 1741, nachwei­sen. Die Pfarrei Unter­ko­chen mit der Marien­kir­che ist mit Sicher­heit ungleich älter als Oberko­chen. In den Urkun­den ist indes mindes­tens seit 1147, also schon rd. zwei Jahrhun­der­te vor 1343, immer wieder — ohne Unter­schei­dung der bürger­li­chen Ansie­de­lun­gen in Unter­ko­chen oder Oberko­chen — einfach von »Kochen« die Rede. Die einwand­freie Trennung in die heuti­gen Orte ist erst kurz vor 1343 möglich. Was die Oberko­che­ner Kirchen­ge­mein­de angeht, stammt wenigs­tens der fast 2 m dicke Turmso­ckel unserer Pfarr­kir­che, wie nun auch an einer Tafel bei den Eingangs­trep­pen nachzu­le­sen ist, von einer frühe­ren romani­schen Kirche aus dem 13., mögli­cher­wei­se sogar 12. Jahrhundert.

Aus all dem ergibt sich, daß das von uns festlich began­ge­ne Jahr 1343 also nur die urkund­lich nachge­wie­se­ne Existenz einer eigen­stän­di­gen Oberko­che­ner Pfarrei beinhaltet.

Schon lange zuvor hat es im weite­ren Umkreis Oberko­chens, z.B. in Giengen oder Lauch­heim wie auch in Aalen, christ­li­che Siedlun­gen gegeben. Obwohl bei den 1980 in der Oberko­che­ner Frühlings­stra­ße erfolg­ten Ausgra­bun­gen aus dem 6. und 7. Jahrhun­dert n. Chr. keine christ­li­chen Symbo­le entdeckt worden sind, läßt sich doch vermu­ten, daß das Chris­ten­tum auch am Kocher­ur­sprung früh Fuß fassen konnte. Weite­re Einzel­hei­ten über diese Ausgra­bun­gen finden sich in Dietrich Bantels ausführ­li­chem Alaman­nen-Kapitel im Stadtbuch.

Im Jahre 764 ist drüben in Ellwan­gen an der Jagst ein Benedik­ti­ner­klos­ter gegrün­det worden, das in der Folge­zeit bis zum Jahre 1802, als Kaiser Napole­on in Deutsch­land große Verän­de­run­gen erzwang, auf Ober- und Unter­ko­chen einen immer mehr zuneh­men­den Einfluß ausge­übt hat.

Doch zurück zu unserem Jubilä­ums­da­tum 1343:
Der Abt von Salem am Boden­see hatte im Jahre 1303, also knapp 40 Jahre vor der Einrich­tung der eigen­stän­di­gen Pfarrei Oberko­chen, im benach­bar­ten Königs­bronn ein Zister­zi­en­ser­klos­ter gegrün­det, das in der Folge­zeit in Oberko­chen wieder­holt der Gegen­spie­ler des Ellwan­ger Benedik­ti­ner­klos­ters wurde (weite­re Grund­her­ren müssen hier aus Zeitgrün­den leider ganz beisei­te bleiben). Beide Klöster übertru­gen die Verwal­tung ihres Besit­zes und die Überwa­chung der von ihnen abhän­gi­gen Leibei­ge­nen meist an sog. Minis­te­ria­le, d.h. Dienst­leu­te, wie z.B. an die Herren von Kochen. Die drei Rosen im Stadt­wap­pen Oberko­chens erinnern seit 1968 wieder verstärkt an diesen bis zum Ende des Mittel­al­ters hier nachweis­ba­ren Ortsadel.

Oberkochen

Als 1366 Kaiser Karl IV. den Königs­bron­ner Mönchen erlaub­te, das in der Gegend vorkom­men­de Bohnerz zu graben und zu verar­bei­ten, entstan­den in Königs­bronn und in Itzel­berg rasch Eisen­wer­ke, in denen auch Oberko­che­ner Einwoh­ner ihr karges Brot verdie­nen konnten.

Doch ehe wir das weite­re Schick­sal der wenige hundert Chris­ten umfas­sen­den Gemein­de Oberko­chen verfol­gen, in der, getrennt etwa durch die heuti­ge Katzen­bach­stra­ße, 2/3 der Bewoh­ner zu Ellwan­gen und 1/3 zu Königs­bronn gehör­te, wollen wir einen kurzen Blick auf die Situa­ti­on des damali­gen Heili­gen Römischen Reiches mit dem späte­ren Zusatz Deutschen Nation und seiner Nachbarn werfen:

Wie sah es dort um 1343, dem Gründungs­jahr der Oberko­che­ner Kirchen­ge­mein­de, aus:

Mit dem soeben genann­ten Karl IV. kam im Jahre 1347 eine imponie­ren­de Persön­lich­keit auf den Thron. In wenigen Jahren machte er seine Residenz Prag zum geisti­gen Mittel­punkt des Reiches, dort entstand die erste deutsche Univer­si­tät. Peter Parler aus Schwä­bisch Gmünd wurde von ihm als Dombau­meis­ter an die Moldau gerufen.

Fast gleich­zei­tig raste die Pest, »das große Sterben«, der »große Tod« über weite Teile Europas hinweg. An vielen Orten wurden die Juden als die angeb­lich Schul­di­gen an dieser unheil­ba­ren Seuche grausam verfolgt. Religiö­se Schwär­mer, die sog. »Geißler«, züchtig­ten sich öffent­lich selbst, um Gottes Gnade zu erlangen.

Mit Recht werden Sie, liebe Zuhörer, fragen, warum der damali­ge Papst nicht gegen solche Auswüch­se einge­schrit­ten sei. Nun, seit 1309 hielten sich die Päpste nicht mehr in Rom auf, sondern lebten fast 70 Jahre lang in enger Abhän­gig­keit von den franzö­si­schen Königen im südfran­zö­si­schen Avignon.

Von all dem wird man, wohl abgese­hen von der Pest, im winzi­gen Oberko­chen nichts gesehen oder gehört haben. Das gilt in erhöh­tem Maße auch von der wachsen­den inneren Unruhe inner­halb der Kirche, knapp 200 Jahre vor der Refor­ma­ti­on. Ich führe nur Stich­wör­ter an:

Der 1320 gebore­ne Englän­der John Wiclif verwarf in diesen Jahren die päpst­li­che Vorherr­schaft, er lehnte die Ohren­beich­te, die Sakra­men­te insge­samt, den Zölibat und die Heili­gen­ver­eh­rung ab. Der italie­ni­sche Dichter Petrar­ca verur­teil­te, wenn auch erfolg­los, den Luxus und den Sitten­ver­fall der Kirche.

Und mit Blick auf die Gescheh­nis­se der letzten Wochen und Monate mutet es gerade­zu beklem­mend an, daß der serbi­sche König Stephan Duschan damals versuch­te, mit aller Gewalt ohne Rücksicht auf die verschie­de­nen Religio­nen die Herrschaft Serbi­ens über große Teile des Balkans bis nach Griechen­land hin auszudehnen.

Doch am Kocher­ur­sprung spiel­te das alles keine Rolle. Selbst der endlich abgeschlos­se­ne Wieder­auf­bau der abgebrann­ten Ellwan­ger Burg hoch über der Stadt wird kaum bemerkt worden sein, ebenso wenig der Baube­ginn am Ulmer Münster. Denn Reisen nach Ellwan­gen, Gmünd oder Ulm ‑die kleine Reichs­stadt Aalen war damals noch unbedeu­tend — wurden ja einmal oder keinmal im Leben unter­nom­men. Was sollte man dort auch tun? Die Sorge um das tägli­che Brot, gewiß auch das Fehlen umfas­sen­der Bildung unter der bäuer­li­chen Einwoh­ner­schaft, setzten ganz andere Schwer­punk­te. Man nahm sein Schick­sal, auch wenn man es nicht verste­hen konnte, als Gottes Wille ergeben an.

Wir machen einen Sprung um hundert Jahre in die zweite Hälfte des 15. Jahrhun­derts: Heiden­heim und das Kloster Königs­bronn waren kurz zuvor an Württem­berg gefal­len; 1443, also genau 100 Jahre nach der Einrich­tung der Oberko­che­ner Pfarrei, war in Ellwan­gen bei einer Brand­ka­ta­stro­phe im Zentrum ledig­lich die heuti­ge Basili­ka verschont geblieben.

Das Kloster Ellwan­gen wurde 1460 in ein weltli­ches Stift unter Führung eines Fürst­probs­tes umgewan­delt. Zehn Jahre später, 1470, wurde die Oberko­che­ner Pfarr­kir­che umgebaut. Einige beson­ders schöne Einzel­fi­gu­ren, etwa das ehrwür­di­ge Vesper­bild, wie auch die Ölberg­grup­pe in unserer Pfarr­kir­che, zeugen von dem damali­gen Glanz. Was Einzel­hei­ten angeht, verwei­se ich auf Rudolf Hellers neuen inter­es­san­ten Kirchen­füh­rer. Diese erhal­te­nen Kunst­wer­ke waren eine erstaun­li­che Leistung für das kleine, arme Dorf, denn im Jahre 1490 rief der Ellwan­ger Fürst­propst zu Spenden »für die äußerst notlei­den­de Pfarr­kir­che zu Oberko­chen« auf. Joachim Kämme­rer hat diesen Aufruf Ende Juli in »Bürger und Gemein­de« veröffentlicht.

Hat Rudolf Heite­le, wie schon erwähnt, vieles zur Geschich­te der katho­li­schen Gemein­de in Oberko­chen beigetra­gen, so gilt das bei Christ­hard Schrenk in gleichem Maße für die evange­li­sche Gemein­de. Diese konnte vor zehn Jahren, also 1983, ihr 400-jähri­ges Jubilä­um feiern. Christ­hard Schrenk hat zu diesem Anlaß eine 80-seiti­ge Broschü­re verfaßt, die auch für die Geschich­te der katho­li­schen Gemein­de von großem Wert ist. Ausführ­lich berich­tet er dort unter anderem vom Versuch Herzog Ulrichs von Württem­berg, in Königs­bronn — und damit auch für ein Drittel der Oberko­che­ner Einwoh­ner — schon 1534 die Refor­ma­ti­on einzu­füh­ren; dies war aber am Wider­stand des bedeu­ten­den Abtes Melchi­or Ruff zunächst gescheitert.

Spätes­tens 1553 war es dann aber doch soweit.

Am Oberko­che­ner Katzen­bach hatte sich zwar über Jahrhun­der­te hinweg eine politi­sche, nicht aber eine Glaubens­gren­ze befun­den; als jedoch das württem­ber­gi­sche Königs­bronn evange­lisch gewor­den war, kam die religiö­se Trennung dazu. Auch wenn man peinlich genau darauf bedacht war, auf keinen Fall über den Katzen­bach hinüber zu heira­ten, schei­nen die ersten Jahrzehn­te zwischen Katho­li­ken und Protes­tan­ten im Dorf doch recht ruhig verlau­fen zu sein. Aus dem Jahre 1578 haben wir eine Oberko­che­ner Gemein­de­ord­nung, die schon wieder­holt veröf­fent­licht worden ist.

Danach waren Gottes­läs­tern und Fluchen, Würfel- und Karten­spiel sowie der Weinaus­schank nach neun Uhr abends für beide Konfes­sio­nen bei Strafe verbo­ten. Arme und Kranke sollten als Chris­ten behan­delt werden, »damit sie nit vor Frost und Hunger wie das Vieh sterben«.

Christ­hard Schrenk hat im einzel­nen aufge­zeigt, wie der konfes­sio­nel­le Friede gerade zwei Jahre später, ab 1580, durch den geplan­ten Bau einer evange­li­schen Pfarr­kir­che in Oberko­chen nachhal­tig gestört worden ist; 1582 kam es deshalb sogar zu einem Prozeß vor dem damals höchs­ten Gericht des ganzen Reiches, dem Reichs­kam­mer­ge­richt. Nach 40jährigen Ausein­an­der­set­zun­gen verlief dieser Prozeß buchstäb­lich im Sande.

Während im Dorf Oberko­chen letzt­lich über Kleinig­kei­ten prozes­siert wurde, tobten in Frank­reich gleich­zei­tig die sogenann­ten Hugenot­ten­krie­ge, regel­rech­te Religi­ons­krie­ge, und die Nieder­lan­de erran­gen ihre Unabhän­gig­keit vom katho­li­schen Spanien.

Kurze Zeit hatte es so ausge­se­hen, als ob die Refor­ma­ti­on auch im Ellwan­gi­schen Gebiet Fuß fassen könnte. Davon wäre dann natür­lich auch der größe­re Teil der Oberko­che­ner Einwoh­ner betrof­fen gewesen — und damit wäre dann ganz Oberko­chen evange­lisch gewesen! Aber vor allem die Jesui­ten, im 16. Jahrhun­dert unter anderen Petrus Canisius, ab der Mitte des 17. Jahrhun­derts Pater Philipp Jenin­gen, erreich­ten es, daß die Fürst­prob­s­tei katho­lisch blieb, dies über den 1648 beende­ten 30jährigen Krieg hinaus.

Dieser unseli­ge Krieg, der zunächst als Religi­ons­krieg begon­nen hatte, dann aber zu einem hemmungs­lo­sen, bruta­len Macht­kampf entar­te­te, hat auch Oberko­chen schwe­ren Schaden zugefügt. Wie überall hatten auch, am Kocher­ur­sprung die Menschen unter den rauben­den und morden­den Rotten zu leiden, die alles nieder­brann­ten und zerstörten.

Ein Blick auf die Einwoh­ner­zah­len macht die schlim­men Auswir­kun­gen deutlich:
Für das Jahr 1629 läßt sich eine Gesamt­ein­woh­ner­zahl von 623 berech­nen, davon waren rd. 60 % katho­lisch. Als nur 20 Jahre später kurz nach Kriegs­en­de eine evange­li­sche Visita­ti­on durch­ge­führt wurde, wohnten nicht einmal mehr 100 Menschen im Dorf Oberko­chen. Der Krieg und vor allem wohl auch die Pest in dieser Zeit hatten furcht­bar gewütet!

Während in Deutsch­land der 30jährige Krieg tobte, hatten Berni­ni und Borro­mi­ni im Zentrum der katho­li­schen Kirche, in Rom, ihre unsterb­li­chen barocken Werke geschaf­fen. Daß das Barock­zeit­al­ter bald nach Kriegs­en­de auch in unserer Gegend Einzug gehal­ten hat, so ab 1661 in der — ursprüng­lich romani­schen — Ellwan­ger Stifts­kir­che der Fürstpröbs­te, dann in Gestalt einer Wallfahrts­kir­che auf dem dorti­gen Schönen­berg, mußte den schwer­ge­prüf­ten Menschen wie ein Wunder erschei­nen. Selbst im kleinen Oberko­chen wurde damals viel gebaut: für das Jahr 1650 wird vom Bau der Ölberg­ka­pel­le im Brunkel berich­tet: 1663 wird der baufäl­li­ge Chor der Pfarr­kir­che abgebro­chen und im frühba­ro­cken Stil neu errich­tet; die Umgestal­tung des übrigen Kirchen­rau­mes nahm aller­dings noch fast ein halbes Jahrhun­dert in Anspruch. Wer mit aufmerk­sa­men Augen durch unsere Pfarr­kir­che St. Peter und Paul geht, findet dort unschwer schöne barocke Statu­en und Gemäl­de aus der Vorgän­ge­rin der heuti­gen Pfarrkirche.

Die Neres­hei­mer Kloster­kir­che schließ­lich, eine der schöns­ten Barock­kir­chen der Welt, wurde aller­dings erst später, 1745, durch Baltha­sar Neumann begon­nen; wie mögen die frommen Oberko­che­ner Beter gestaunt haben, wenn sie einmal das große Glück hatten, dort den Gottes­dienst mitfei­ern zu dürfen! Doch zurück nach Oberko­chen! In den ab 1658 erhal­te­nen Pfarr­nach­rich­ten wird für das Jahr 1662 eine katho­li­sche Schule in Oberko­chen erwähnt, vier Jahre später beginnt die Renovie­rung des Schul- und Mesner­hau­ses. Diese erstaun­li­chen Aktivi­tä­ten dürfen aller­dings nicht darüber hinweg­täu­schen, daß es ein volles Jahrhun­dert gedau­ert hat, bis in Oberko­chen wieder ebenso viele Menschen lebten wie vor dem schreck­li­chen Dreißig­jäh­ri­gen Krieg.

Machen wir mitein­an­der wieder einen größe­ren zeitli­chen Sprung, genau­er gesagt bis zum Jahr 1749 und dem damals gefer­tig­ten »Aalener Proto­koll« zur gütli­chen Regelung der angespann­ten Bezie­hun­gen zwischen den beiden Oberko­che­ner Ortstei­len, insbe­son­de­re auch in religiö­sen Angele­gen­hei­ten. Wie war es zu diesem Proto­koll gekommen?

Sie erinnern sich sicher noch an die Strei­te­rei­en zwischen den beiden Konfes­sio­nen wegen des dann 1583 durch­ge­führ­ten Baues einer evange­li­schen Kirche in Oberko­chen. 1749 ging es zwar nicht um die Errich­tung eines neuen Bauwer­kes, wohl aber um die genaue Regelung einzel­ner Punkte im Alltags­le­ben: wir mögen heute darüber lächeln, daß zum Beispiel, wie Volkmar Schrenk im letzten Jahr beim Jubilä­um der Versöh­nungs­kir­che berich­te­te, das Mittags­läu­ten der evange­li­schen Kirche schon um 3/4 12 Uhr begann, damit das Mittags­ge­bet der Katho­li­ken um 12 Uhr nicht durch evange­li­sches Glocken­ge­läut gestört wurde. Aber es kam auch zu anderen bemer­kens­wer­ten Abmachun­gen mit Hilfe dieses Proto­kolls: so feier­ten Katho­li­ken den eigent­lich evange­li­schen Karfrei­tag mit, dassel­be galt umgekehrt für das Fronleichnamsfest.

Im übrigen sollte, wie es wörtlich hieß, »jeder Oberko­che­ner vollkom­me­ne Gewis­sens­frei­heit in allen gottes­dienst­li­chen Übungen haben«; bemer­kens­wer­te Sätze für religiö­se Duldung, die dem Geist Fried­richs des Großen wie auch Josephs II, des Sohnes Maria There­si­as, aber auch eines Voltaire oder eines Gotthold Ephra­im Lessing entspra­chen. Und dies zu einer Zeit, in der z.B. in Würzburg oder Kempten immer noch angeb­li­che Hexen auf dem Schei­ter­hau­fen verbrannt wurden!

Auch andere drängen­de Proble­me wie etwa Kurzar­beit oder Arbeits­lo­sig­keit können eine Pfarr­ge­mein­de nicht unbeein­druckt lassen. Und doch besteht keiner­lei Grund zur ängst­li­chen Resignation.

Im 8. Kapitel, Vers 31 des Römer­brie­fes des Apostels Paulus stieß ich kürzlich auf den Satz: »Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?«

Ob das nicht eine Antwort auf viele Fragen sein kann, die uns Tag für Tag beunru­hi­gen? Lassen wir doch endlich in der Erinne­rung an diese 650 Jahre, welche die Eigen­stän­dig­keit unserer Kirchen­ge­mein­de mit allen Freuden und Leiden der damals leben­den Oberko­che­ner umfas­sen, noch viel mehr aber mit Blick auf die gewal­ti­gen derzei­ti­gen Proble­me der bald sechs Milli­ar­den Menschen in aller Welt, das allzu ängst­li­che Starren auf unsere Sorgen, die damit vergli­chen recht klein sind; setzen wir vielmehr an dessen Stelle die Gewiß­heit, daß Gott diese Gemein­de St. Peter und Paul in Oberko­chen wie in den letzten Jahrhun­der­ten, so auch in Zukunft nicht verlas­sen wird.

1876, mitten in den Wirren schwe­rer Ausein­an­der­set­zun­gen zwischen der katho­li­schen Kirche und dem preußi­schen Staat, setzte Joseph Mohr dem Anfang seines noch heute gerne gesun­ge­nen Liedes »Ein Haus voll Glorie schau­et / weit über alle Land« mit unerschüt­ter­li­chem Gottver­trau­en die Gewiß­heit hinzu: »Aus ew’gem Stein erbauet«.

Ich wünsche unserer Pfarr­ge­mein­de und darüber hinaus allen hier leben­den Menschen daß sie wie Joseph Mohr auf diesem Stein stets ihren Halt u. ihre Stütze finden.

Albert Seckler

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