Das Jahr 2023 war, nach drei Corona-Jahren, mal wieder ein normales Jahr, in dem wir uns frei bewegen konnten. Die Vereine haben sich wieder aufgerappelt, die Versammlungen nachgeholt und wieder für ein normales Vereinsleben gesorgt.
Auch dieses Jahr habe ich mich wieder ins Zeug gelegt und 30 Berichte fertiggestellt. Das kann sich mehr als sehen lassen und noch habe ich Ideen, Material und Unterstützer, die es ermöglichen, Euch auch 2024 und 2025 einiges anzubieten.
Der Schwerpunkte (mehrteilige Berichtsreihen) in den beiden kommenden Jahren sind:
• Das Goldene Buch der Stadt Oberkochen
• Unsere Gasthäuser und Vereinsheime
• Besondere Bäume auf unserer Gemarkung
• Und einige andere Schmankerln
…. und damit das Ganze nicht zu einseitig wird, habe ich beschlossen die großen Themenreihen aufzusplitten, nicht dass man monatelang nur über Bäume oder Wirtschaften lesen muss.
Für dieses Jahr bedanke ich mich ausdrücklich bei den nachfolgen aufgeführten Personen, die sich engagiert für Berichte im Jahr 2023 eingebracht haben:
• Ottmar Bihlmaier
• Reinhard Bogena
• Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese
• Bruno Brandstetter
• Georg „Schorsch“ Brunnhuber
• Richard Burger
• Ludwig Burghard
• Wolfgang Eber
• Christine Fischer geb. Porzig
• Sandra Gottwaldt
• Jörg Grünler
• Paul Hug
• Prof. Dr. Christoph Hübenthal
• Luitgard Hügle
• Helmut Krämer
• Peter Meroth
• Wolfgang Ritter
• Prof. Dr. Christhard Schrenk
• Katharina Traub
• Franz Uhl
• Prof. Dr. Thomas Vilgis
• und Lothar Schell sowie Edwin Hügler für die Verwendung ihrer Zeitungsberichte
• sowie allen anderen, die mir hin und wieder einen Brief, ein Foto oder ein Unikat in den Briefkasten stecken oder mich auf dies und jenes hinweisen.
Das Besondere an diesem Jahr war, dass die Berichte nicht mehr parallel auf der Website des Heimatvereins erschienen sind. Das ist der besonderen Lage zu diesem Thema geschuldet. Ohne Website fehlt etwas Gravierendes. Die Facebook-Aktivitäten habe ich nach über 80 Berichten ebenfalls eingestellt, weil eben auch aus diesem Grund keine Verlinkung auf die Website möglich war.
Ein besonderer Dank geht, wie immer, an das Rathaus. Hervorheben möchte ich dieses Jahr Michaela Büchele, die mich immer unterstützt hat, wenn ich an dem neuen Redaktionssystem mitunter verzweifelt bin und mich immer bestens beim Recherchieren im Rathaus betreut. An Jürgen Rühle, der mich immer unterstützt, soweit es ihm möglich ist und an den Bürgermeister Peter Traub, der dieses Jahr mal wieder selbst zur „Feder“ gegriffen hat – könnte er ruhig öfters machen. Auch Edgar Hausmann ist immer bereit mich zu unterstützen.
Nachdem jetzt „ällas iiiebrs alte Joar gschwätzt isch“, bleibt mir nur noch, uns allen ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr zu wünschen. Und mir wünsche ich Ideen und Stoff, um weiter kreativ sein zu können.
Und als „Guatlse“ gibt’s drei Erinnerungen. Eine von Luitgard Hügle aus Poggibonsi und zwei von Wolfgang Ritter aus Dinkelsbühl.
Wolfgang Ritter mit dem Thema „Milchhäusle“:
Sehr geehrter Herr Müller, die geschilderte Entstehung des Milchhäusles hat mich wieder mal zu einem Gedankenausflug in meine persönliche Vergangenheit inspiriert — verbunden mit meinem Schuss “fränkischer Senf” Der Bericht über das Milch-Häusle weckte in mir schöne Erinnerungen an meine frühe Kindheit und Jugendzeit in diesem einst aufstrebenden und geschäftigen Dorf, das es unter der Ägide von Schultes Bosch bis zur Stadterhebung im Jahr 1968 gebracht hat. „Ausgerüstet“ mit der damals üblichen 2 Liter Blechkanne (was war das eigentlich für ein Material?) an der einen Hand und wohlbehütet an der anderen Hand von der Mutter geleitet, durfte ich „meine“ Milch (ich bin heute noch milchsüchtig) in besagten Milch-Häusle am Ende des Wegs zwischen Uhrengeschäft Wälder und Oberkochener Bank holen. Soweit ich mich erinnere, hatte das Milch-Häusle keine „normalen“ Öffnungszeiten — die Milchabgabe an die „End“-kunden richtete sich vermutlich nach den Anlieferungszeiten der Bauern. Ich meine, wir sind immer morgens zum Milch holen gegangen — und es war ein beliebter Treffpunkt der milchholenden Kunden (meist Hausfrauen, weil die Männer ja für das Familieneinkommen bei Zeiss, Bäuerle, Leitz und Co zu sorgen hatten). Als dann der Grieser-Markt am Eugen-Bolz-Platz mit seinem für die damalige Zeit fast grenzenlosen Lebensmittelangebot öffnete und es dort auch offene Milch im separaten Milchladen hinten unter dem Laubengang gab, war das ehrwürdige Milch-Häusle leider obsolet; vermutlich nutzten die meisten Bewohner des Neubaugebiets unterm Tierstein das moderne Supermarktangebot. Der Grieser-Markt mitsamt Milchladen war in meiner Erinnerung immer sehr frequentiert. Und so wie das ehemalige Milch-Häusle seinem endlichen Schicksal entgegen schlummert, erscheint mir heute, wenn ich als Tourist in meine alte Heimat komme, auch die gesamte Innenstadt in einen Dämmerzustand verfallen zu sein. Allein die Eisdiele am Lindenbrunnen scheint bei den Bürgern beliebt zu sein, ansonsten im einstigen „geschäftigen“ Dorfzentrum Aalener / Heidenheimer / Bahnhof- und Dreißentalstraße — viel gähnende Leere.

Das alte Milchhäusle (Archiv Müller)
Wolfgang Ritter mit dem Thema „Turmweg“:
Sehr geehrter Herr Müller, zum Straßenbericht kürzlich über den Turmweg (er wurde bei uns in der Familie auch Turmsteige genannt) möchte ich wieder mal meinen „fränkischen Senf“ geben, da ich zu dieser Straße bzw. dem steilen Weg zwischen dem „Turmcafe“ (dürfte das Café Weidl gewesen sein) und Bergheim eine sehr spezielle sportliche Beziehung hatte. Wegen Raummangels in der Dreißentalschule wurde bekanntlich ein Teil des Schulbetriebs in das damals „Bergheim“ genannte Schulgebäude verlegt. Davon waren in den Schuljahren 1963 bis 1965 die 3ten und 4ten Grundschulklassen betroffen. Meine Schulklasse wurde vom Lehrer Gunzenhauser unterrichtet. Anfangs war mein Schulweg von der Walther-Bauersfeld-Straße über die Katzenbachstraße, die Kapellensteige hoch am städtischen Friedhof vorbei und oberhalb des Friedhofs auf einem Fußweg vor zum Bergheim. Als es dann aber ab Herbst zu Schulbeginn um 7.30 Uhr noch ziemlich finster war (und ich meine, oberhalb des Friedhofs gab es an dem Fußweg damals noch keine Beleuchtung) hatten die Eltern Sorge, ihr Bub könnte in der noch morgendlichen Finsternis rund um den Friedhof von umherirrenden Geistern der Verstorbenen belästigt werden. Also führte mich mein Schulweg fortan durch belebtes und „sicheres“ Terrain — und die letzte Wegstrecke war dann eben der besagte und steile Turmweg. Da ich als Bub damals, trotz ständiger Erziehungsbemühungen der Mutter, die Eigenschaft hatte, zuhause morgens nicht „in die Gänge zu kommen“ (vermutlich lag es daran, dass meine Motivation zum Schulbesuch noch Luft nach oben hatte), musste ich mich auf dem Weg deutlich sputen. Denn der Klassenlehrer Gunzenhauser war in meiner Erinnerung „koi Guter et“, er war eine pädagogische Autorität seiner Zeit und praktizierte mit — aus heutiger Sicht — pädagogisch grenzwertigen Erziehungsmethoden. Ein Zuspätkommen zum Unterrichtsbeginn hatte bei ihm zum Beispiel unweigerlich Erziehungsmaßnahmen mit dem Rohrstock zur Folge. Logischerweise versuchte ich also die drohende Züchtigung zu vermeiden und „galoppierte“ die 1,5 Kilometer lange Strecke von der Walther-Bauersfeld-Straße über den Turmweg in gut 15 Minuten hinauf ins Bergheim — und diese letzten, steilen ca. 150 Meter hatten es in sich. Mit Erfolg und ohne Tatzenhiebe in den zwei Schuljahren, wobei ich aber öfters als letzter Schüler außer Atem und buchstäblich zusammen mit dem gestrengen Lehrkörper durch die Klassentür witschte. Geschadet hat mir dieses morgendliche Jogging (man nannte es damals wohl Dauerlauf) jedenfalls nicht. Als meine Familie sich etliche Jahre später in Königsbronn häuslich niederließ und ich meine Brötchen bei der dortigen Raiffeisenbank verdiente, absolvierte ich die etwa gleich lange Wegstrecke von der Waldsiedlung hinunter ins Dorf in etwa derselben Zeit. Die Basis für meine solide körperliche Kondition wurde am Turmweg in Oberkochen geschaffen.

Der Turweg im alten Gewand (Archiv Rathaus)
Luitgart Hügle mit dem Thema „Besuch bei der Ahne“:
Meine wichtigsten und schönsten Kindheitserinnerungen sind die Besuche bei der Ahne. Am Sonntag gingen die Eltern mit uns Kindern spazieren: Auf den Berg, auf den Rodstein, ins Tiefental bis zum Brünnele und über den Langert zum Aalbäumle. Wir entdeckten Seidelbast und Anemonen und hofften, wenigstens eine Spur vom Osterhasen zu finden. Im Sommer ließen wir Schifflein im Bach schwimmen oder gingen auch mal auf den Sportplatz. Aber nach dem Spaziergang gingen wir fast obligatorisch zur Ahne in den Katzenbach. Da kamen alle Vettern und Basen oder zumindest sehr viele und es war immer interessant. Wenn wir Durst hatten, gingen wir in die Küche, um Wasser zu trinken. Nicht wie daheim aus Glas oder Becher. Wir nahmen dafür den Schöpfer (Suppenkelle) von der Wand und trank daraus. Etwas zum Essen – und sei es nur eine Hutzel – fanden wir vielleicht in der „Speis“, der Speisekammer, gleich neben der Küche. Ganz sicher aber gab es Äpfel. Die waren auf Borden in der Kammer gelagert. Da brauchte man sie jedoch nicht zu holen, denn in der Stube saß die Ahne am Tisch und hatte einen ganzen Berg davon vor sich liegen. Sie schälte und schnitt die Äpfel in Schnitzchen. Die ganz fein geschnittenen wanderten in ihren zahnlosen Mund, die etwas dickeren Schnitze bekamen jedoch die Enkelkinder, wobei sie immer zum Nächststehenden sagte: „Maul auf!“ Wenn wir genug hatten, gingen wir zusammen zum Spielen, beispielsweise „Räuber und Gendarm“, Treppauf Treppab, in den Hof und runter zum Bach. Bei so vielen Kindern war das sehr lustig.
So verlief ein normaler schöner Sonntag. Doch schon bald im Herbst begannen wir uns auf den schönsten Tag des Jahres bei der Ahne zu freuen und sangen „Lustig, lustig, tralalala, bald ist Nikolaus Abend da…“
An diesem Tag, dem 5. Dezember, Vorabend des Nikolaustages, kamen wirklich alle zur Ahne und so wurde die große Bauernstube voll mit Kindern und jungen Leuten. Um Platz zum Sitzen zu schaffen, wurde das Bett aus der Kammer zerlegt und aus den Brettern Bänke gemacht, auf die wir Kinder sitzen durften. Seien es die kleineren Kinder und auch die größeren und auch solche, die noch am Nachmittag Höllenmaschinen gebaut hatten, die den Nikolaus und besonders den gefürchteten Knecht Ruprecht abschrecken sollten, und die diese jetzt unter der Bank versteckten. Die Älteren, die Halbwüchsigen saßen im großen Ohrensessel beim Ofen und kicherten, die Eltern nahmen auf Sdem ofa und den Stühlen Platz. Es war ein fröhliches Durcheinander an Stimmen bis unten im Gang das Glöckchen ertönte und alle mucksmäuschenstill wurden. Den Kleinen blieb das Herz stehen vor Angst und Freude, die Großen sagten „Gelobt sei Jesus Christus…“ und ich glaube, dass auch sie heimlich gezittert haben, als der Nikolaus würdigen Schrittes die Stube betrat, mit dem Kopf nickte, sich umschaute und mit tiefer Stimme zu sprechen begann. Er hatte einen langen weißen Bart, eine hohe Bischofsmütze und eine dicke Brille auf. Mit seinen weißen Handschuhen hielt er den Bischofsstab und unter dem Arm hatte er ein dickes Buch. Sein Mantel war rot mit goldenen Litzen verziert und darunter trug er ein hellblaues langes Gewand. Gleich hinter ihm kam der schwarze Knecht Ruprecht ins Zimmer, mit einem Sack auf dem Rücken und einer langen Rute in der Hand.
Nach einem Gebet öffnete der Niklaus sein großes Buch und las daraus die Sünden und Schandtaten der Kleinen vor, die mit einem Liedchen, vorgetragen mit zittriger Stimme, gesühnt wurden. Die bösen Buben dagegen kriegten Schläge vom Knecht Ruprecht, bevor auch sie ihr Säckchen mit Nüssen und Süßigkeiten erhielten. In unserem Säckchen war immer ein gebackener Nikolaus mit Rosinenaugen und einer Mandelnase.
Einmal erinnere ich mich, dass mein Bruder Herbert, schon auf dem Weg zur Ahne, fürchterliche Angst vor Knecht Ruprecht hatte. Mein Vater hat ihm daraufhin eine Decke, ein „Teppichle“ hinten unter seine Jacke geschoben, damit er die Hiebe auf den Rücken nicht spüren soll. Prompt fragte der Niklaus, was er denn auf dem Rücken habe, darauf Herbert weinerlich: „Das hat mir mein Papa reingeschoben“ worauf der Papa, unter dem Gelächter aller, eine Portion Hiebe abkriegte. Wie auch sonst die Erwachsenen nicht verschont blieben, über sie stand etwa in dem großen Buch: „Beim Marken-Kleben in der Nacht zu viel Strom verbraucht“ – was vom Niklaus mit tiefer Stimme gerügt wurde. Es gab auch Hiebe in Richtung des großen Ohrensessels, auf dem die Halbwüchsigen fast übereinandersaßen. Sie lachten und kreischten, bevor dann endlich der große Sack mit den glänzenden Äpfeln „von der Ahne ihrem Niklaus“ geöffnet und auf den Tisch geleert wurde.
Alle Kinder atmeten auf, als der Heilige Nikolaus samt seinem Knecht Ruprecht unter dem Geläute des Glöckchens und den begleitenden Gebeten wieder abzog und die Treppe runter stieg. Erst als er unten war, machten wir sein Säckchen auf – und auf dem Heimweg hatten wir natürlich viel zu erzählen.

Die Schülerin Luitgard – lang lang ist’s her (Archiv Hügle)
Billie: „Gang ahne“ isch was anders als „Gang zur Ahne“. Das eine meint „geh weiter, mach voran“ und das andere bedeutet „geh zum Opa oder zur Oma“. Natürlich wissen das die alten und ganz alten Oberkochener. „Ahna bzw. Ähne” sind die schwäbischen Ersatzbegriffe für “Oma, Großmutter, Vorfahren in der weiblichen und männlichen Form“.
Abschließend habe ich wieder mal die „KI“ mit der Frage „Wer ist Billie vom Sonnenberg“ getestet. Die Antwort war schon recht ordentlich: „Billie vom Sonnenberg ist der Spitzname von Wilfried Müller, einem Autor und Mitglied des Heimatvereins Oberkochen in Deutschland. Er schreibt regelmäßig heimatkundliche Berichte über die Geschichte, Landschaft und Alltag von Oberkochen und seiner Umgebung. Er nennt sich selbst “Billie vom Sonnenberg”, weil er in einem Haus auf dem Sonnenberg wohnte, welches das erste Fertighaus in Oberkochen war. Er bedankt sich jedes Jahr bei den Lesern und Unterstützern seiner Berichte und wünscht ihnen ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr“.
Bleibet gsoooooood und senkrecht – Euer Billie vom Sonnenberg
Wilfried „Wichai“ Müller