Das Mühlwe­sen in Oberkochen

In der zweiten Hälfte des vergan­ge­nen Jahrhun­derts waren in Oberko­chen vier Mühlen in Betrieb: die »Öl- und Schleif­müh­le«, die »Obere Mühle«, die »Untere Mühle« und die »Kreuz­müh­le«.

Die Öl- und Schleif­müh­le lag am Abfluß des Ölwei­hers an der heuti­gen Leitz­stra­ße. Die erste Erwäh­nung einer Schleif­müh­le findet sich (nach: Beschrei­bung des Oberam­tes Aalen. Stutt­gart 1854, S. 297) bereits 1498. Im Jahr 1725 ist von einer Ölmüh­le die Rede, in den folgen­den Jahrzehn­ten kam noch eine Gipsmüh­le hinzu.

Auch die Kreuz­müh­le entstand ursprüng­lich als Öl- und Gipswerk. Sie wurde 1845 erbaut und etwa 50 Jahre später zu einer Getrei­de­müh­le umgerüs­tet. Die Mühlen in unserer Gegend waren über Jahrhun­der­te auf Wasser­kraft angewie­sen. Der Kocher spiel­te in diesem Zusam­men­hang eine entschei­den­de Rolle, und auch die Obere und die Untere Mühle (Zimmer­mann und Schee­rer) siedel­ten sich am Kocher an. Sie befan­den sich aber nicht direkt am Flußbett. Ein Kanal zweigt vor der Oberen Mühle ab, führt an der Unteren Mühle vorbei und mündet danach wieder in den Kocher ein. Die Obere Mühle (Zimmer­mann) existiert heute nicht mehr. Die weiter in Richtung Unter­ko­chen gelege­ne Untere Mühle ist dagegen noch vorhan­den und voll funktionsfähig.

Die Untere Mühle (Schee­rer) kann auf eine sehr alte Tradi­ti­on zurück­bli­cken. Ihre erste urkund­li­che Erwäh­nung reicht ins Jahr 1358 zurück, die dorti­gen Müller lassen sich bis ins Jahr 1390 zurück­ver­fol­gen. Die Besit­zer­fa­mi­lie wechsel­te jedoch häufig. 1862 kaufte Caspar Schee­rer, der von Beruf Ziegler war, die Untere Mühle. Ihm gehör­te die Ziegel­hüt­te zwischen Oberko­chen und Königs­bronn. Dort hatten er und seine Vorfah­ren über 100 Jahre lang feuer­fes­te Ziegel und Backstei­ne gebrannt, die von beson­de­rer Quali­tät waren. Sie fanden z.B. beim Ausmau­ern der Eisen­bahn­heiz­kes­sel Verwen­dung. Bevor 1865 die Bahnli­nie von Aalen nach Heiden­heim fertig­ge­stellt worden war, trans­por­tier­te Schee­rer seine Produk­te mit einem Pferde­wa­gen zu seinen Kunden, zu denen z.B. die Maschi­nen­fa­brik in Esslin­gen zählte. Der Lehm konnte direkt bei der Ziegel­hüt­te gewon­nen werden. Die alten Lehmgru­ben sind heute noch erkenn­bar. Um 1860 scheint die Lehmqua­li­tät schlech­ter gewor­den zu sein. Deshalb sah sich Caspar Schee­rer nach einem anderen Betäti­gungs­feld um. 1862 stand die Untere Mühle in Oberko­chen zum Verkauf an. Dem Vorbe­sit­zer, Josef Stadel­mai­er, hatte das Anwesen fast 40 Jahre lang gehört. Weil dieser in Geldschwie­rig­kei­ten geraten war, mußte er die Mühle verkau­fen. Da Schee­rers Sohn Georg den Beruf des Müllers erlernt hatte, lag es nahe, von der Ziege­lei in eine Mühle überzu­wech­seln. 1877 ließ Schee­rer die alte Mühle abrei­ßen und an gleicher Stelle eine neue bauen. Die zuvor vorhan­de­nen vier kleinen Wasser­rä­der ersetz­te er durch ein großes, das eine Breite von 2,5 Metern und ein Gefäl­le von 3,5 Metern aufweist. Die Kraft des Wassers wird über verschie­de­ne Zahnrä­der und Gestän­ge auf die Mühlstei­ne, die heute durch Walzen­stüh­le ersetzt sind, übertra­gen. Im unters­ten Stock­werk der Mühle stehen große Säcke, in denen die einzel­nen Mahlpro­duk­te, vom Mehl bis zum »Dreck«, aufge­fan­gen werden. 1885 verkauf­te Schee­rer die Ziegel­hüt­te an Georg Widmann, dessen Nachfah­ren noch heute das inzwi­schen vergrö­ßer­te und moder­ni­sier­te Anwesen betreiben.

Oberkochen

Die Untere Mühle befin­det sich damit seit mehre­ren Genera­tio­nen und seit fast 125 Jahren im Besitz der Familie Schee­rer. Nach dem Käufer der Mühle, Caspar Schee­rer, hielten zuerst dessen Sohn Georg, danach dessen Enkel Caspar und schließ­lich dessen Urenkel Hans Schee­rer die Mülle­rei­tra­di­ti­on aufrecht. Die einzel­nen Bauern­fa­mi­li­en mahlten früher drei- bis viermal im Jahr. Für einen bestimm­ten Tag »bestell­ten« sie die Mühle vor. Wenn das verein­bar­te Datum gekom­men war, trans­por­tier­ten sie mit Schub­kar­ren, Kuhwa­gen, oder was immer sie sonst zur Verfü­gung hatten, ihr gedro­sche­nes Getrei­de zur Mühle. Je nach Famili­en­grö­ße handel­te es sich jeweils um zwei bis fünf Sack, wobei ein Sack etwa 75 Kilogramm wog. Nach der Ernte bis in die Weihnachts­zeit und von Neujahr bis Ostern und oft noch darüber hinaus lief die Mühle ununter­bro­chen. Viele Leute mußten sogar in der Nacht kommen, um ihr Getrei­de mahlen zu können. Erst in den Wochen vor der nächs­ten Ernte wurde der Andrang schwächer.

Es war üblich, selbst zu mahlen oder zumin­dest kräftig mitzu­hel­fen. Wer die Mühle benütz­te, mußte einen »Mahllohn« entrich­ten. Es gab verschie­de­ne Formen der Bezah­lung. Bargeld sah der Müller am liebs­ten, doch eben das hatten die meisten seiner Kunden am wenigs­ten. So wurde der Müller meist in Natura­li­en entlohnt, oder er behielt ca. 5% des Getrei­des als Mahllohn ein. Etwa weite­re 5% des Getrei­des sind übrigens »verstaubt« oder »verduns­tet«.

Dinkel­an­bau

Der Dinkel trägt verschie­de­ne Namen. Je nach Verar­bei­tungs­zu­stand wird er als »Kernen« oder »Korn« bezeich­net, manch­mal heißt er auch »Vesen« oder »Spelz«. Über viele Jahrhun­der­te hinweg war er in Gegen­den mit rauhe­rem Klima (z.B. auf der Schwä­bi­schen Alb) das dominie­ren­de Getrei­de. Ortsna­men wie Dinkels­bühl« (Erhebung, auf der Dinkel angebaut wird), in dessen Stadt­wap­pen drei Dinkeläh­ren zu sehen sind, oder Dinkels­hau­sen unter­strei­chen die große Bedeu­tung dieser Getrei­de­art. Die Vormacht­stel­lung des Dinkels begann nach dem Ersten Weltkrieg abzubrö­ckeln. Er wurde vom Weizen verdrängt.

Der Dinkel war früher schon deshalb in unserer Gegend konkur­renz­los, weil er von Natur aus beson­ders wetter­hart ist. Beim Weizen bedurf­te es langer Züchtungs­ver­su­che, bis er in unserem Klima gedei­hen konnte und nicht mehr »verfror« bzw. »auswin­ter­te«. Durch weite­re Züchtun­gen stieg der Ertrag des Weizens stark an. Beim Dinkel, der mit dem Weizen verwandt ist, gelan­gen solche Züchtungs­er­fol­ge nicht. Weder Kreuzungs- noch Verede­lungs­ver­su­che zeigten zufrie­den­stel­len­de Resul­ta­te. So ließ ab dem Ersten Weltkrieg der Weizen den Dinkel ertrags­mä­ßig weit hinter sich, und er gedieh auch in rauhe­rem Klima. Als sich das gezeigt hatte, übernahm der Weizen bald die führen­de Positi­on. Der Dinkel konnte sich nur in ganz wenigen Gegen­den halten, deren Klima auch für den weiter­ge­züch­te­ten Weizen noch ungeeig­net war. Um so bemer­kens­wer­ter ist es deshalb, daß der Dinkel in den letzten Jahren in Oberko­chen wieder angebaut wurde. Der Grund ist jedoch klar. Dinkel gilt auch heute noch als sehr gesund. In diesem Punkt übertrifft er den wirtschaft­lich deutlich überle­ge­nen Weizen. Dinkel soll sich positiv auf das allge­mei­ne Wohlbe­fin­den auswir­ken und die mensch­li­chen Wider­stands­kräf­te erhöhen. Schon in kleinen aber regel­mä­ßi­gen Mengen kann er gute Wirkun­gen haben und bei Verdau­ungs­pro­ble­men oder Nieren­be­schwer­den helfen.

Oberkochen

Doch bevor man den Dinkel essen kann, muß er gemah­len werden. Es ist kein einfa­cher Vorgang, aus dem geern­te­ten und gedro­sche­nen Dinkel das Mehl herzu­stel­len, denn vor dem Mahlen steht das »Dinkel­ger­ben«. Die Kronen des gedro­sche­nen Dinkel­korns sind von Spelzen umschlos­sen. Deren Besei­ti­gung bezeich­net der Fachmann als »Gerben«. Außer­dem wird der Dinkel noch »geputzt«. Das Gerben geschieht maschi­nell, mußte im letzten Jahrhun­dert aber noch von Hand vorge­nom­men werden. Im Prinzip wird dabei der Dinkel so lange hin und her gerüt­telt, bis Spelzen und Staub abgefal­len und entfernt sind. In der Unteren Mühle ist heute noch eine Gerbma­schi­ne aus dem Jahre 1907 in Betrieb. Nach dem ersten Durch­gang durch diese Maschi­ne gelangt der Dinkel in einen sechs­kan­ti­gen Staub­zy­lin­der, in welchem er vom groben Staub befreit wird. Danach läuft er wieder in die Gerbma­schi­ne zurück. Dort werden die noch verblie­be­nen Spelz­res­te entfernt. Der Dinkel passiert anschlie­ßend weite­re Maschi­nen, bis er vollstän­dig gerei­nigt ist.

Nach dem Gerben folgt das Mahlen des Dinkels. Nach einem ersten Mahlvor­gang läuft der Dinkel über den sogenann­ten »Plansich­ter«. Dort wird »das heraus­ge­siebt, was noch kein Mehl ist« und läuft in die Walzen­stüh­le zurück. Dieser Vorgang wieder­holt sich so lange, bis alles gemah­len ist.

Als der Dinkel in unserer Gegend noch die wichtigs­te Getrei­de­art war, gab es viele Dinkel­re­zep­te. Natür­lich wurde das Brot aus Dinkel gebacken. Dieses Getrei­de diente aber auch als Grund­la­ge verschie­de­ner anderer Speisen. Erinnert sei nur an die diver­sen Dinkel­sup­pen und an den »Häber­nen­brei«. Dieser Brei besteht aus Dinkel­schrot, der mit Milch gekocht wird. Der »Häber­nen­brei« ist dem Grieß­brei ähnlich und war als kräfti­ges Frühstück beliebt. Die Hausfrau­en runde­ten seinen Geschmack gerne mit etwas Zucker bzw. Honig und Zimt ab.

Litera­tur­hin­wei­se

Schrenk, Christ­hard: Alt-Oberko­chen. Erzäh­lun­gen und Berich­te aus Oberko­chens Vergan­gen­heit. Oberko­chen 1984, S. 52–57.
Schrenk, Christ­hard: Die Untere Mühle zu Oberko­chen, In Ostalb/Einhorn 46 (Juni 1985), S. 140–152.
Beschrei­bung des Oberam­tes Aalen. Stutt­gart 1854.

Quellen­hin­weis

Mühlen­buch von 1751. Aufbe­wah­rungs­ort: Untere Mühle Oberkochen.

Christ­hard Schrenk

Histo­ri­sche Köhle­rei­en auf Oberko­che­ner Gemarkung

Geschich­te der Köhle­rei in Oberkochen

Die Wälder Oberko­chens waren in Kloster- und Ellwan­ger­wald einge­teilt. Die Köhler wurden als »Accordan­ten« bezeich­net, d.h. sie stell­ten die Holzkoh­le im Einver­neh­men mit den Waldbe­sit­zern und in deren Auftrag her als deren Angestell­te. Die Köhler mußten dafür die Holzkoh­le an die Waldbe­sit­zer zurück­ge­ben, welche sie entlohn­ten. Anhand des verbrauch­ten Holzes (meist Hartholz) konnte man mehr oder minder die Menge der zu erwar­ten­den Kohle ermes­sen. Die Kohle wurde auf Esels­we­gen, eine andere Trans­port­mög­lich­keit war nicht möglich, ins Tal geschafft und gelang­te von dort zu den Hütten­wer­ken in Königs­bronn und Wasser­al­fin­gen, später zum Hochofen in Oberko­chen selbst. Fliegen­de Köhle­rei­en gab es bis 1790, danach wurde auf festen Kohlplat­ten gebrannt. Von 1770–1790 war eine Blüte­zeit der Köhle­rei, da es in unserer Gegend reich­lich Eisen­erz­vor­kom­men gab, jedoch keine andere Möglich­keit der Verhüt­tung außer mit Holzkoh­le bestand. Während dieser Blüte­zeit wurden alle großen Bäume gefällt, so daß nach einigen Jahren kein passen­des Holz zum Verkoh­len mehr da war. Die Folge davon war Mangel an Brenn­ma­te­ri­al für Haus- und Indus­trie­be­darf. Dies führte zur Einfüh­rung der geregel­ten Forst­wirt­schaft in Oberko­chen. Um 1806 wurden die Wälder Oberko­chens wieder aufge­fors­tet, es gibt Waldauf­nah­men von 1812. Bis 1820 gab es in den Wäldern noch Waldvieh­wei­den. Von 1825 — 1830 war eine erneu­te Blüte der Köhle­rei; es wurden feste Kohlplat­ten angelegt, zu denen das Holz hintrans­por­tiert werden mußte. Um 1865 ging der Holzkoh­le­ver­brauch schlag­ar­tig zurück, da sehr viel Kohle mit der Eisen­bahn heran­ge­bracht wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Köhle­rei­en als Rüstungs­be­trie­be gekenn­zeich­net und hatten eine kurze Blüte­zeit. Die letzten Köhle­rei­en Oberko­chens brachen um 1960 zusammen.

Ulrich Feil

Die Arbeit des Köhlers

Kohlplat­ten finden sich grund­sätz­lich im Wald, zum einen wegen des kurzen Trans­port­we­ges für das benötig­te Eichen- und Buchen­holz, zum anderen, weil Bäume einen ausge­zeich­ne­ten Windfang darstel­len, denn Wind bewirkt eine ungleich­mä­ßi­ge Verbren­nung des Holzes und schmä­lert so die Erträge.

Vor der Errich­tung des Meilers wird eine kreis­run­de, ebene, Schlaue genann­te Vertie­fung ausge­ho­ben, die in der Mitte 20 cm erhöht ist, damit das Wasser ungehin­dert abflie­ßen kann. Nunmehr werden senkrecht auf der Mitte ein Meter lange Holzprü­gel und ‑schei­te in zwei Etagen aufge­rich­tet und mit einer zugleich feuer­fes­ten und regen­un­durch­läs­si­gen Decke verse­hen. Man unter­schei­det zwischen dem Rauhdach, das sich aus Gras, Laub, Moos, Farn und Zweigen zusam­men­setzt, und dem Erddach aus Erde und Kohlenk­lein. Die Errich­tung eines solchen Meilers nimmt im allge­mei­nen zwei bis drei Tage in Anspruch; es werden 25 bis 28 Raumme­ter Holz benötigt, dessen Verkoh­lung nach vier bis fünf Tagen abgeschlos­sen ist. Eine kleine­re Köhle­rei bringt es auf zehn bis zwölf Meiler pro Saison.

Jeder Meiler wird an der Spitze angezün­det und brennt von dort aus kegel­för­mig zum Boden und nach außen hin ab. Es tritt zunächst weißer, dann gelbli­cher, stechen­der, wieder weißer und schließ­lich blauer, kohlen­oxyd­hal­ti­ger Rauch aus, der, so er am Boden austritt, das Ende der Verkoh­lung anzeigt. Dann wird der Meiler mit Störha­ken ausein­an­der­ge­zo­gen und womög­lich mit Wasser besprengt, damit die Holzkoh­le abküh­len kann.

Da zur Verbren­nung des Holzes ausschließ­lich der Luftsauer­stoff genutzt wird, ist es verständ­lich, daß Witte­rungs­fak­to­ren für die Ausbeu­te eine bedeu­ten­de Rolle spielen. So ist heißes Wetter wie Regen der Verkoh­lung förder­lich, zu starke Belüf­tung des Meilers aber mindert, wie schon erwähnt, den Ertrag und zwingt den Köhler dazu, vorsorg­lich das Dach des Meilers gut festzu­tre­ten. Um einer Erhit­zung des Meilers auf mehr als 300 bis 400 Grad oder gar einem Brand vorzu­beu­gen, muß alle drei Stunden, auch nachts, Holz nachge­füllt (»Wenn mer gut’ Nacht secht, isch nix drin.«) und bei Bedarf die Luftzu­fuhr über Luftlö­cher oder eine Verstär­kung des Erdman­tels reguliert werden. Daß dem Köhler Sachkennt­nis und Geschick im Umgang mit dem Meiler abver­langt werden, beweist die Tatsa­che, daß selbst bei bestem Wetter und gutem Zustand des Meilers die Wahl der falschen Holz- und Verkoh­lungs­art und Fehlein­schät­zun­gen der Verkoh­lungs­dau­er die Ausbeu­te schon empfind­lich geschmä­lert haben.

Als Endpro­dukt des Verkoh­lungs­pro­zes­ses, sehen wir von entstan­de­nen Gasen und Dämpfen mit Methan‑, Fettsäu­ren- und Teerge­halt einmal ab, besitzt Holzkoh­le die doppel­te Brenn­kraft von Holz. Abneh­mer dieses Brenn­stoffs sind Hütten­wer­ke, Gieße­rei­en und nicht zuletzt die zahlrei­chen Freun­de des Barbe­cue. Um neben der fabrik­mä­ßi­gen Produk­ti­on von Holzkoh­le und der Konkur­renz aus dem südeu­ro­päi­schen Ausland überhaupt bestehen zu können, müssen die hiesi­gen Köhler den Sack Kohle weit unter dem Wert der zu ihrer Herstel­lung verrich­te­ten Arbeit verkau­fen, was die Renta­bi­li­tät von Kohlplat­ten stark mindert und die Betrei­ber langfris­tig zu ihrer Aufga­be zwingen dürfte.

Axel Kämme­rer

Neue Erkennt­nis­se zum Köhlerei­we­sen auf Oberko­che­ner Gemarkung

Wer schon einmal die Köhle­rei­en bei Roten­sohl (Großku­chen) besucht hat, wird bestä­ti­gen, daß man sich angesichts der rauchen­den Meiler im tiefen Wald um Jahrhun­der­te zurück­ver­setzt fühlt — bald wird dieses Idyll durch die unweit des moder­nen Märchens vorbei­füh­ren­de Autobahn etwas getrübt sein. Der Geschich­te dieses »Märchens« versuch­te eine Schüler­grup­pe anläß­lich der Projekt­ta­ge 1983, die kurz vor den Sommer­fe­ri­en am Gymna­si­um Oberko­chen durch­ge­führt wurden, nachzugehen.

Im Jahr 1962, kurz nachdem ich nach Oberko­chen gekom­men war, hatte ich die Kohlplat­ten hinter dem Spitzi­gen Fels auf dem Weg nach Ebnat besucht. (Der Betrieb auf dieser sogen. Heiter­schen Kohlplat­te wurde wenig später einge­stellt und die beiden Block­hüt­ten für die Köhler, die wie kleine Hexen­häus­chen im Wald standen, leider abgeris­sen.) Zwei Jahre später besuch­te ich die Kohlplat­ten bei Roten­sohl, die als einzi­ge Köhle­rei­en in Südwürt­tem­berg (angeb­lich soll es nur noch vier oder fünf Köhle­rei­en in ganz Deutsch­land geben) seit 170 Jahren bis auf den heuti­gen Tag betrie­ben werden. Dann stieß ich auf Berich­te über das Oberko­che­ner Hafner­ge­wer­be und später auf die heute noch sicht­ba­ren Spuren einer um 1650 abgebro­che­nen Hochofen­an­la­ge bei der Kocherquelle.

Dies alles brach­te mich auf den Gedan­ken, daß aus der Zeit der Holzkoh­le­pro­duk­ti­on um Oberko­chen mit Sicher­heit noch zahlrei­che alte, teils uralte Kohlplat­ten auffind­bar sein müßten, was aber im Allein­gang fast undurch­führ­bar schien. So schlug ich im Rahmen der Projekt­ta­ge 1983 ein heimat­kund­li­ches Projekt (Aufspü­ren von Kohlplat­ten auf Oberko­che­ner Gemar­kung) vor. Im Programm­be­schrieb, den ich im Febru­ar vorge­legt hatte, roch es nach »lauf«, »schwitz« und Arbeit, so daß sich nur fünf Schüler, aller­dings sehr zuver­läs­si­ge, in die Teilneh­mer­lis­te für dieses Projekt eintru­gen. Dies waren Markus Weiß, Andrea Winter, Axel Kämme­rer, Barba­ra Leitz und Ulrich Feil.

Die Vorbe­rei­tun­gen liefen schon vor den eigent­li­chen Projekt­ta­gen an. Die Schüler holten Infor­ma­tio­nen bei FDir Schurr vom Staatl. Forst­amt ein, wälzten dort alte Akten und Flurkar­ten, wobei sie heraus­fan­den, daß eine ganze Reihe von Walddi­strikt­be­zeich­nun­gen auf Oberko­che­ner Gemar­kung und dicht dabei auf Köhle­rei­en hinwie­sen, wie z.B. Kohlhau, Fuchs­kohl­plat­te, Brand­plat­te, Brenn­hölz­le, Kohlhau­bilz, Schwarz­wei­ler Weg, Kohlteich, Singen­kohl­platt. Ihnen wurden auch Abrech­nun­gen über Holzkoh­le­ver­kauf vorge­legt, die mit altehr­wür­di­gem Staub verse­hen, fast einein­halb Jahrhun­der­te ungeöff­net aufbe­wahrt worden waren. Aus diesen ging hervor, wann in welchem Bezirk gebrannt wurde. Aller­dings war keine genaue Lokali­sie­rung der Kohlplat­ten möglich. Jeden­falls wurde immer­hin klar, daß der entschei­den­de Schlag zur Aufga­be der Köhle­rei­en die Errich­tung der Eisen­bahn­li­nie in der Kocher-Brenz-Achse um 1865 war. Ab da konnte besse­re Kohle per Bahn beigebracht werden. Somit war schon vorher erkenn­bar, daß unsere zu entde­cken­den Objek­te teilwei­se mit über 100 Jahre alten Bäumen bestan­den und deshalb schwer auffind­bar sein würden. Hier halfen Hinwei­se und die phantas­ti­schen Gelän­de­kennt­nis­se von Realge­nos­sen­schafts­mit­glied Anton Balle und FDir Schurr weiter, die den Schülern in mehre­ren Etappen Angaben zur Positi­on von ihnen bekann­ten Kohlplat­ten machten, so daß wir bereits zu Beginn der Projekt­ta­ge eine Karte mit vielen Kreuz­chen vorlie­gen hatten.

Für unser Unter­neh­men waren zwei volle Tage angesetzt. Wir beschlos­sen, am ersten Tag die Härts­feld­sei­te zu durch­käm­men. FDir Schurr gab uns persön­lich wertvol­le Einstiegs­hil­fen. Mit Sicher­heit hätten wir ohne ihn unsere erste Kohlplat­te am Fuß des Wollen­bergs nur unter größten Schwie­rig­kei­ten gefun­den, da sie total einge­wach­sen ist. Anders verhielt es sich mit den Kohlplat­ten im Auffüll­ge­biet »Wanne«. Sie lassen sich trotz 100jährigem Buchen­be­wuchs deutlich im Gelän­de ablesen, wenn man weiß, wie man schau­en muß. Hier sind die Kohlplat­ten in hängi­gem Gelän­de stufig einge­schnit­ten, bergseits ausge­ho­ben und talseits angeböscht. In der »Wanne« sind 3 Kohlplat­ten stufig überein­an­der angelegt. Eine vierte ist unter Umstän­den durch Wegbau zerstört. Da dieses große zusam­men­hän­gen­de Kohlplat­ten­sys­tem noch in diesem Jahr zugeschüt­tet werden sollte (eigent­lich schade darum), haben wir es vermes­sen und aufge­zeich­net. Abbil­dung: Zeich­nung »Rekon­struk­ti­ons­zeich­nung der Zentral-Köhle­rei »Wanne«.

Herr Schurr erklär­te uns hier den Unter­schied zwischen den älteren, meist nur aus einer Platte bestehen­den Köhle­rei­en, die als »fliegen­de« Kohlplat­ten dem Holzein­schlag nach errich­tet wurden, und den jünge­ren, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts entstan­de­nen Zentral­köh­le­rei­en, zu denen das Holz vom weite­ren Umkreis herge­führt wurde. Für den Trans­port wurden vorwie­gend Esel verwen­det (»Eselwe­ge«, z.B. über das Stefans­wei­ler Feld zum Zwerenberg).

Bei allen Kohlplat­ten, die wir im Lauf der beiden Tage aufsuch­ten oder entdeck­ten (27 an der Zahl, davon 20 auf Oberko­che­ner Gemar­kung — Abbil­dung Karte), führten wir oberflä­chi­ge Boden­schür­fun­gen durch und stießen fast überall ziemlich schnell und in gerin­ger Tiefe auf schwar­ze Erde und Holzkoh­le­res­te. Dies war für uns der Beweis, daß wir auch wirklich eine Kohlplat­te gefun­den hatten. Die Holzkoh­le­pro­ben wurden fein säuber­lich abgepackt und mit unserer Arbeits­num­mer der betr. Kohlplat­te verse­hen. Über die Sommer­fe­ri­en ließen wir die Kohle­pro­ben austrock­nen. Später sollen sie nach Möglich­keit von einem Fachmann auf Holzart und Alter bestimmt werden. Daß vorwie­gend Harthöl­zer wie Eiche und Buche zur Verkoh­lung verwen­det wurden, ist bekannt, und daß die Platten, die wir aufsuch­ten, bis zu oder mehr als 200 Jahre alt sein können, läßt sich vermu­ten, desglei­chen, daß es noch wesent­lich ältere gibt.

Oberkochen

Ein Blick auf die Karte zeigt, daß sich die von uns aufge­such­ten Kohlplat­ten vorwie­gend in Hangla­ge befin­den. Das kann damit zusam­men­hän­gen, daß das Holz besser die Hänge herab als in der Ebene zu beför­dern war; es kann aber, und das ist wahrschein­li­cher, ganz einfach damit zusam­men­hän­gen, daß die Kohlplat­ten in hängi­gem Gelän­de leich­ter zu entde­cken sind, weil sich die Einker­bun­gen und Aufbö­schun­gen, die im Hang zur Anlage von Kohlplat­ten notwen­dig waren, lange Zeit erhal­ten und somit sicht­ba­re Hinwei­se sind, wogegen Kohlplat­ten in flachem Gelän­de kaum auffal­len. Deshalb steht zu vermu­ten, daß die Zahl der Kohlplat­ten auf unserer Gemar­kung wesent­lich größer ist, als bisher nachgewiesen.

Oberkochen

Die Dokumen­ta­ti­on zu unserem Projekt im Zeichen­saal des Gymna­si­ums fand ein sehr gutes Echo. Wir hatten eine Karte mit exakten Lokali­sie­run­gen aufge­hängt, die Kohlplat­ten einzeln beschrie­ben, die entspre­chen­den Kohle­pro­ben ausge­stellt und einen kleinen Meiler aufge­baut. Verschie­dent­lich wurden wir ermun­tert, das Projekt weiter­zu­füh­ren. Dies wird mit Hilfe des Staatl. Forst­amts und der Realge­nos­sen­schaft und vielleicht mit Hilfe aufmerk­sa­mer Wande­rer geschehen.

Im Kirchen­buch der kt. Pfarr­ge­mein­de St. Peter und Paul fand ich 1971, — damals aus anderen Gründen auf den Spuren der Oberko­che­ner Geschich­te, heraus, daß allein in der »Bilz«, wo sich Köhler­fa­mi­li­en seßhaft gemacht hatten, im Verlauf von ca. 30 Jahren (zwischen 1702 und 1737) einige ‑zig Kinder auf die Welt gekom­men sind.

Die Eintra­gun­gen sind, je nach Lust und Laune, aber auch Ortskennt­nis der Pfarrer, recht verschie­den, — latei­nisch, franzö­sisch, deutsch, — und dies alles in verschie­de­nen Schreib­wei­sen, vorgenommen.

Zusätz­li­che Ortsbe­zeich­nun­gen dieser Art finden sich in den evange­li­schen Kirchen­bü­chern selten. (Siehe Bericht »Namens­ge­schich­te« Kuno Gold). Neue Forschun­gen in der Bilz siehe BuG 1989 Nrn. 29, 31, 34, 35, 36, 37, 38, 40 und BuG 1990 Nrn. 23 und 51.

Dietrich Bantel

Oberkochen

Hafner

Vorbe­mer­kung:

Der nachfol­gen­de Artikel wurde um 1939 von Oberleh­rer Alfons Mager verfaßt. Damals war das Hafner­we­sen noch fest im Bewußt­sein aller Oberko­che­ner veran­kert, obwohl nur noch zwei Meister ihr kreati­ves Handwerk ausüb­ten. Auch in den 60er Jahren war die Tradi­ti­on des altehr­wür­di­gen Hafner­hand­werks in Oberko­chen noch nicht abgerissen.

Heute im Jahr 1993, — also fast ein halbes Jahrhun­dert, nachdem dieser Beitrag von A. Mager geschrie­ben wurde, übt noch ein Nachfah­re dieser großen Zunft das Hafner­hand­werk als neben­be­ruf­li­ches Hobby und vor allem aus Freude am Gestal­ten aus. Es wäre schön für unsere Stadt, wenn das so bliebe.

Geschich­te der Hafnerei

Seit dem Beginn des 18. Jahrhun­derts ist das Hafner­ge­wer­be in Oberko­chen bekannt. Es konnte gedei­hen, weil in der Umgebung Toner­de gewon­nen wurde.

In Württem­berg wurde die Töpfe­rei wohl am ausge­dehn­tes­ten auch in Neuen­haus (auch »Häfner-Neuhau­sen« genannt) im Oberamt Nürtin­gen betrie­ben, in kleine­rem Maßstab in Alfdorf, Münsin­gen und Schelklingen.

Anfäng­lich war das Hafner­ge­wer­be haupt­säch­lich in den Famili­en Fischer (Herrgotts­häf­ner) und Hug (unterer Hug) zu Hause. Später ging sie auf die Famili­en Johan­nes Hug, August Hug, August Fischer, Anton Fischer, Johan­nes Gold, Konrad Sapper im Katzen­bach, Josef Schaupp, Anton Gold (Golden­bau­er), Johan­nes Wingert, Johan­nes Müller, Johan­nes Beißwan­ger, Josef Minder und Karl Feil an der Haupt­stra­ße, Micha­el Fischer, Franz Gold, Anton Gold in der Jäger­gas­se und Johan­nes Elmer beim Fried­hof über. In Königs­bronn waren in diesem Gewer­be die Namen Eberle, König und Schuh­ma­cher vertre­ten. Ein Origi­nal in seinem Berufe war der in den 70er Jahren des vorigen Jahrhun­derts leben­de Hafner­meis­ter Bosen­hard in Königs­bronn. Um das Jahr 1840 sollen in Oberko­chen 30 Hafner tätig gewesen sein. Ihre Toner­de bezogen sie bis etwa 1860 zu einem guten Teil aus den Zahnber­ger Gruben. Dort wurden im Jahre 1844 bei Staats­gra­bun­gen drei Bergleu­te aus Oberko­chen und Ochsen­berg verschüt­tet. Die Leichen konnten nicht gebor­gen werden, weil immer neue Erde nachrutsch­te. Das tragi­sche Gesche­hen hatte für die Unbetei­lig­ten jedoch auch eine heite­re Seite. Es ist der Schmer­zens­aus­bruch der Mutter einer der verun­glück­ten Männer überlie­fert. Diese soll bei der Meldung der Trauer­nach­richt ausge­ru­fen haben: »Wenn mei Soh no seine neue Stiefel und sei Uhr net aghet hätt, wärs net so arg!«

Mitte der 70er Jahre des 19. Jahrhun­derts wurde der tüchti­ge Erdgrä­ber und Hafne­rei­ar­bei­ter Raiser von Oberko­chen in einem Schacht auf dem Zahnberg in zehn Metern Tiefe verschüt­tet. Der Schacht sollte abgebaut und das Gruben­holz heraus­ge­schafft werden. Er war an einem Seil hinab­ge­las­sen worden und wollte eben die Baustan­gen heraus­neh­men, als die Wände zusam­men­stürtz­ten. Erst nach acht Stunden konnte er in völlig erschöpf­tem Zustand, mit dem Todes­schweiß auf der Stirn, aus seiner schreck­li­chen Lage befreit werden. Er wurde mit einem Fuhrwerk in den Ort gebracht und erhol­te sich bald wieder. Raiser hatte (nachein­an­der) drei Frauen und 42 Kinder, darun­ter nur einen Sohn, der nach Ameri­ka auswan­der­te. Die alten Tongru­ben befin­den sich rechts vom Wege nach dem Zahnberg­hof und sind jetzt unbenützt. Die Mulde, ungefähr einen Morgen groß, ist noch deutlich zu erkennen.

Oberkochen

Um das Hafner­ge­wer­be in Oberko­chen zu heben und feine­res und verzier­tes Geschirr zu erzie­len, wurden in den 70er Jahren des 19. Jahrhun­derts von mehre­ren Seiten fördern­de Schrit­te unter­nom­men. Minis­te­ri­al­rat Stein­beis, Vorstand der Zentral­stel­le für Gewer­be und Handel, und die damali­gen Zeichen­leh­rer Kolb in Stutt­gart und Mager (Vater von Alfons Mager, dem Verfas­ser) in Gmünd gaben die Anregung, in Oberko­chen eine Zeichen­schu­le zu gründen. Durch diese sollten in erster Linie die Hafner­lehr­lin­ge eine besse­re Ausbil­dung erhal­ten. Mit Unter­stüt­zung von Schult­heiß Wingert und des evange­li­schen Pfarrers Lechler, die sich der Sache kräftig annah­men, wurde hier alsbald eine Zeichen­schu­le errich­tet. Sie bestand ab 1879, wurde von Lehrer Gutmann gelei­tet und von über 50 Schülern, darun­ter 15 Hafner­lehr­lin­ge, besucht. Bei der Landes-Gewer­be­aus­stel­lung 1881 in Stutt­gart wurde der Schule und ihrem Leiter für die ausge­leg­ten Zeich­nun­gen und Geschir­re eine öffent­li­che Belobung erteilt. Wohl wurden später Versu­che zur Anfer­ti­gung von Tafel­ge­schirr, Figuren und künst­le­ri­schen Vasen gemacht. Der Ton aber erwies sich für feine­re Waren als untaug­lich, und er konnte trotz schöns­ter Glasur und aller Farben dem Porzel­lan nicht stand­hal­ten. Er war eben nur für Kochge­schirr verwendbar.

Schon in den neunzi­ger Jahren des 19. Jahrhun­derts war im Hafner­ge­wer­be vorüber­ge­hend eine Krise einge­tre­ten. Diese behob sich wieder, als damals von ärztli­cher Seite darauf hinge­wie­sen wurde, daß verdor­be­nes Email­le­ge­schirr gesund­heits­schäd­lich wirke und der abgesprun­ge­ne Glasschmelz Blind­darm­ent­zün­dung hervor­ru­fe. Bei Opera­tio­nen seien in dem kranken Wurmfort­satz als häufigs­te Entzün­dungs­ur­sa­che kleine, von Kochtöp­fen abgesprun­ge­ne Email­le­split­ter festge­stellt worden. Diese Ansicht war damals sehr verbreitet.

Bis zum Ersten Weltkrieg hatten die Hafner meist genügend Aufträ­ge und Arbeit. Trotz­dem gaben viele ihr Handwerk auf und ergrif­fen einträg­li­che­re Tätig­kei­ten. Während des Ersten Weltkrie­ges erleb­te das Hafner­ge­wer­be eine letzte Blüte. Die Hafner konnten in diesen Jahren die Nachfra­ge nach Geschirr kaum befrie­di­gen, sie wurden gut bezahlt und kamen wirtschaft­lich sogar nochmals empor. Die Ursachen des darauf­fol­gen­den neuer­li­chen Rückgangs lagen in den schlech­ten Zeit- und Geldver­hält­nis­sen. Die Nachfra­ge und der Absatz von Tonge­schir­ren wurden immer schwä­cher. Die noch ausste­hen­den Gutha­ben der Hafner gingen sehr langsam oder gar nicht ein, und im Einkauf des Töpfer­ge­schirrs hielten sich die Zeitge­nos­sen immer mehr zurück. Die Glasur und das Holz waren im Verhält­nis zum Verdienst sehr teuer und die Arbeits­kräf­te kaum zu bezah­len. Der Haupt­ge­winn an den Töpfer­wa­ren fiel den Händlern zu, obwohl diese außer der Fracht und bei größe­ren Töpfen außer dem Blech- und Draht­be­lag keine beson­de­ren Ausla­gen hatten. In den Haushal­tun­gen waren die Email‑, Eisen- und Alumi­ni­um­ge­schir­re, Metall­kas­se­rol­len, Stein­gut- und Porzel­lan­ge­fä­ße immer mehr in Gebrauch gekom­men und hatten irdenes Geschirr zurück­ge­drängt. Dieses konnte mit dem in den Fabri­ken als Massen­ar­ti­kel herge­stell­ten Auftrags- und Tafel­ge­schirr nicht mehr konkur­rie­ren. Das Kochen auf Gasher­den und in Metall­töp­fen hat nach dem Ersten Weltkrieg in den Städten den Vorzug erhal­ten, um Zeit und Holz zu sparen und die Wohnun­gen sauber zu halten. Doch ist erwie­sen, daß die Speisen in irdenen Geschir­ren einen feine­ren Geschmack haben, besser gar gekocht werden und ihre Nährkraft mehr ausge­wer­tet wird. Von vielen Feinschme­ckern ist bekannt, daß sie zum Kochen nur irdene Kasse­rol­len benüt­zen lassen.

Die um 1870 gegrün­de­te Oberko­che­ner Hafner­ge­nos­sen­schaft umfaß­te auch die Fachge­nos­sen von Königs­bronn, Heiden­heim und Mergel­stet­ten. 1900 zählte sie insge­samt 30 Mitglie­der, davon 21 aus Oberko­chen. Im Jahre 1910 war die Zahl der ortsan­säs­si­gen Hafner auf 17 zurückgegangen:

Wingert, Josef; Heiden­hei­mer Str. 64
Müller, Johan­nes; Hasen­gäß­le 5
Wingert, Josef; Heiden­hei­mer Str. 54
Fischer, Karl (Napole­on); Heiden­hei­mer Str. 28
Fischer, Josef (Herrgotts­häf­ner); Heiden­hei­mer Str. 12
Gold, Johan­nes; Katzen­bach­str. 9
Fischer, Franz; Schul­stra­ße 2
Hug, Johan­nes; Schrei­ner­gäß­le 2
Hug, Anton; Katzen­bach­str. 21
Fischer, Paul; Katzen­bach­str. 29
Fischer, Josef; Katzen­bach­str. 31
Sapper, Konrad; Katzen­bach­str. 28
Schaupp, Josef; Kronen­gäß­le 2
Hug, Anton; Aalener Str. 18
Fischer, Micha­el; Dreißen­tal­str. 6
Gold, Franz; Jäger­gäß­le 3
Gold, Anton; Jäger­gäß­le 7

1927 wies die Hafner­ge­nos­sen­schaft noch 16 Mitglie­der auf, davon neun von Oberko­chen. 1939 gab es ledig­lich noch zwei Hafner in Oberko­chen, die aber fast nur noch den Winter über in ihrem Handwerk tätig waren.

Rohma­te­ri­al der Hafner

Das Rohma­te­ri­al der Hafner ist die weiße, feuer­fes­te Toner­de, die bei Zahnberg, Gde. Königs­bronn, gegra­ben wird. Toner­de kommt auch aus Roten­sohl, Gde. Großku­chen und aus dem Staats­wald »Brandel­häu­ser«, auch Schne­cken­bur­ren genannt. Dort durften früher nur die Schnait­hei­mer und Heiden­hei­mer, nicht jedoch die Oberko­che­ner und Königs­bron­ner Hafner nach Toner­de graben. Ähnli­che Einschrän­kun­gen galten für den Taxis­schen Wald »Hahnen­gar­ten«, Rev. Nietheim, in dem früher nur Ebnater unent­gelt­lich den Ton holen durften. Sie berie­fen sich hierbei auf eine vom Jahr 1763 stammen­de Urkun­de des Klosters Neres­heim. Im 20. Jahrhun­dert war es der Oberko­che­ner Hafner­ge­sell­schaft erlaubt, im »Hahnen­gar­ten« Probe­lö­cher und Bohrver­su­che zu machen.

Die Forst­äm­ter berei­te­ten den Hafnern beim Toner­de­gra­ben öfters Schwie­rig­kei­ten in Hinblick auf die Schonung des Waldes. Aus den bevor­zug­ten Gruben des Brandel­häu­ser Waldes, die zum Forst­re­vier Oberko­chen gehör­ten, wurde früher öfters des Nachts heimli­cher­wei­se Toner­de »geholt« und dann in Säcken beim Morgen­grau­en nach Hause gebracht.

Auf Oberko­che­ner Gemar­kung findet sich roter Letten­bo­den im Staats­wald »Zeller­hau«, ferner guter Lehm im Markungs­teil »Birkach«, neben dem Seegar­ten­hof und im vorde­ren Tiefen­tal (wo noch bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhun­derts gegra­ben wurde), ebenso auf den Seewie­sen bei Königs­bronn. Letzte­re Gruben sind weniger ergie­big. Auf dem unteren Zahnberg wird nur noch Ziegel­er­de, die ziemlich viel Sand enthält, für feuer­fes­te Steine (Chamotten) gegra­ben, durch die Dampf­zie­ge­lei Ludwig, Königs­bronn. Der Zahnberg birgt Massen von Töpfer­er­de, die für lange Zeiten ausrei­chen würden. Es fehlen aber die Geldmit­tel, um richti­ge Schäch­te zur Einfahrt zu graben und sie ans Tages­licht zu fördern.

Aus den bei der Turnhal­le, im Ziegler­gar­ten und im Birkach gelege­nen Lehmgru­ben bezog einst die bei der Leitzschen Fabrik befind­li­che Ziegel­hüt­te ihren Lehm. Ein Wagen voll Töpfer­ton (etwa 30 Zentner) kostet 15 Mark, dazu kommt noch der Fuhrlohn von elf Mark.

In den Lehmgru­ben befin­det sich oben meist zuerst rote Erde, Letten oder Bühl genannt. Dann erst kommt die mit Eisen, Kalk und Kiesel­säu­re gemisch­te blaue, gelbli­che oder weiße Erde, der eigent­li­che Töpfer­ton, das Rohma­te­ri­al der Hafner.

Die Glasur bekamen die Hafner zunächst als Bleierz in ganzen Stücken, später meist gesto­ßen und gemah­len und mit gerin­ge­rem Bleige­halt. Der Doppel­zent­ner Bleierz kommt auf 74 bis 78 Mark. Die alten Hafner hatten ihr Stück­erz aus Spani­en bezogen. Dann liefer­ten die Rhein­lan­de den größten Teil hiervon. Aller­dings ließen die Besat­zungs­mäch­te im Rhein­land nach dem Ersten Weltkrieg den Versand des Stück­er­zes lange Zeit kaum mehr zu.

Mit guter Glasur tun sich die Hafner leich­ter. Mit schlech­te­rem Materi­al ist die Herstel­lung guten Geschirrs viel schwie­ri­ger; auch muß es mit mehr Hitze­gra­den gebrannt werden. Statt Bleierz wird auch das rote, pulver­ar­ti­ge Blei-Menning verwen­det, das meist in Schle­si­en auf chemi­schem Weg herge­stellt wird. Dieses gibt wohl schöne­ren Glanz und lebhaf­te­re Farbe, verträgt sich aber mit dem Ton nicht so gut wie das Erz, und es ist ziemlich teuer. Es hat aber den Vorteil giftfrei zu sein.

Arbeit der Hafner

Die Hafne­rei ist ein schwer zu erler­nen­des und schmut­zi­ges, aber auch inter­es­san­tes Handwerk. Es erinnert lebhaft an die gute, alte Zeit. Fremde, welche nach Oberko­chen kommen und erstmals in eine Hafner­werk­statt treten, schau­en staunend auf die Arbeit des Meisters. Wie geht nun diese in einfa­chen Verhält­nis­sen vor sich? Schon vor der Hafne­rei bemerkt man Holzbei­gen und eine Mulde mit Lehm und Ton. Mit diesem Materi­al begin­nen die Vorar­bei­ten: Erdschnei­den, Walzen und Kneten. Der Ton wird mit der Schau­fel durch­ein­an­der­ge­schafft und dann auf einem Holzklotz, dem »Hackstot­zen« geschnit­ten. Der Ton wird zuerst mit der Tonwal­ze bearbei­tet, Steine, Harttei­le und sonsti­ges Beiwerk zerdrückt und das Ganze gut »verschafft«. Durch das Kneten wird der Ton weich und fein. So ist die Grund­be­din­gung für Erzie­lung eines feinen Geschirrs gegeben. Dann wird die Masse zur letzten Vervoll­komm­nung über den Tonma­las­seur (Tonschnei­der) geführt. Der Hafner macht daraus große und kleine Ballen, »Kleäß« genannt, und legt sie auf die Bank oder auf ein Brett. Nun ist der Ton zum Formen bereit.

Oberkochen

In seinen schmie­ri­gen Hosen, den sog. »Bollen­ho­sen«, sitzt der Töpfer vor der Drehschei­be und wirft einen »Kleäß« auf die Platte. Dann versetzt er diese mit den bloßen Füßen in immer schnel­le­re Bewegung. Mit den Fingern bei dauern­der Benet­zung aus einem Wasser­ha­fer drückt und formt er an dem Klumpen. Mit Staunen sieht man, wie dieser sich rundet und in die Höhe wächst. Bald erscheint deutlich die Öffnung und die Form des Hafens, zuletzt der Rand mit einem Kränz­chen geziert und geritzt. Zum Abschnei­den von der Schei­be wird ein Draht und zum Glätten inner­halb des Gefäßes ein Stück Filz benützt. Kaum hat man die kunst­vol­le Arbeit der Hand betrach­tet, so sitzt ein neuer Batzen auf der Schei­be. Es ist eine Freude, dem emsigen Manne zuzuse­hen. Den in allen Größen, in schlan­ken und breiten Formen auf den Brettern stehen­den »Häfen« werden die Schnäuz­chen einge­drückt. Ein Teil erhält noch Henkel, die wie Würst­chen geformt werden. Öfters wird hierzu eine Sprit­ze benützt. Danach werden sie zum Trock­nen an die Wärme gebracht; im Sommer ins Freie, im Winter an den Ofen. Auf den Gestel­len und Brettern rings um den Ofen steht alles voll mit Tongeschirr.

Eine weite­re Arbeit ist das Glasie­ren. Die Formen sind zunächst noch grau, glanz­los und durch­läs­sig oder porös. Nun erhal­ten sie Glätte, Farbe und Verdich­tung. Das Stück­erz muß zuerst mit dem Mörser der Glasur­müh­le zu feinem Pulver zersto­ßen und mit Tonsand und Wasser zu einem dünnen Brei vermischt werden. Von Natur aus ist die Glasur weiß; erst die Beimi­schun­gen erzeu­gen die gewünsch­ten Farben. Braun­stein und Eisen­oxyd ergeben braune und rote Farbe, gewöhn­li­ches Eisen­erz und Antimon­oxyd die gelbe, sowie Kupfer­oxyd und Chrom die grüne Farbe. Da Kobalt­o­xyd zu teuer ist, wird blaues Geschirr gar nicht oder ganz selten herge­stellt. Mit den Formen in der einen Hand und dem Schöpf­löf­fel in der anderen begießt der Hafner zuerst das Innere, schwenkt tüchtig herum, und dann wird die Außen­sei­te glasiert. Oft werden die Geschir­re auch in den Brei einge­taucht. Die Schüs­seln müssen zuerst hell grundiert werden. Ist dann die »Bschüt­te« trocken, so kommt der zweite Aufguß. Die Tupfen werden mit einem Besen hinein­ge­spritzt. Die bläulich und dunkel ausse­hen­den Formen werden jetzt im großen Brenn­ofen gebrannt. Für einen Brand rechnet man je nach Beschaf­fen­heit des Ofens und des Brenn­ma­te­ri­als mit zwei bis drei Raumme­tern Holz. Das Weißglü­hen braucht mindes­tens 20 bis 24 Stunden, das Rotglü­hen 12 bis 15 Stunden. Damit die Hitze nicht hinaus­zieht, wird der Kamin halb geschlos­sen, beson­ders im Winter. Ein Ofen faßt je nach Größe 120 bis 180 »Würfe«* (Siehe Anmer­kung am Schluß). Diese sorgfäl­tig einzu­le­gen und aufzu­bau­en ist auch eine Kunst des Hafners. Durch das Brennen wird die Glasur geläu­tert und es entsteht Glanz, Härte und Haltbar­keit. Die Hitze im Ofen steigt über 1000 Grad. Erst nach ein bis zwei Tagen kann das Geschirr heraus­ge­nom­men werden. Die glänzen­de Farbe der Scher­ben rührt haupt­säch­lich von den feuer­be­stän­di­gen Metall­oxy­den her, deren Farbton beim Brennen und Schmel­zen des Farbflus­ses hervortritt.

Nur durch jahre­lan­ge Übung und Fertig­keit kann beim Handbe­trieb im Hafner­ge­wer­be Ersprieß­li­ches geleis­tet werden. »Das Werk wird dann den Meister loben«. Eine Schüle­rin des 6. Schul­jah­res legte ihre Eindrü­cke »Beim Hafner« in folgen­dem hübschen Aufsätz­chen nieder:

»Das schmut­zigs­te Handwerk ist die Hafne­rei. Den Ton dazu holt man in der Gegend von Ochsen­berg. Kommt ein Wagen voll solcher Erde, so wird der größte Teil davon in eine Mulde gebracht und einge­netzt. Beim Abladen macht man die Schau­fel naß, damit nichts anklebt. Die Erde wird zu einem dicken, zähen Teig gekne­tet, zu Ballen geformt und gewalzt. Dieser wird auf die Drehschei­be gebracht. Es macht mir Spaß, wie der Hafner in seinen Bollen­ho­sen die Batzen hinwirft. Dann formt er kunst­voll mit der Hand aller­lei Sachen, die nachher im Freien getrock­net werden. Sind alle trocken, werden sie mit Glasu­ren bemalt und dann nochmals getrock­net. Bald darauf kommt alles in den Brenn­ofen, und so werden sie ungefähr einen Tag der größten Hitze ausge­setzt. Kommen die Sachen heraus, so spricht man von Tonge­schirr. Im Winter ist es in der Hafne­rei schön warm. Da kommt mancher alte Mann und manche alte Frau, um aller­lei zu klatschen.«

Die aus dem weißen und roten Ton hier herge­stell­ten feuer­fes­ten Töpfer­wa­ren wandern unter dem Namen »Heiden­hei­mer Kochge­schirr« in alle Welt. Die Bezeich­nung »Heiden­hei­mer Kochge­schirr« kommt daher, daß die Tongru­ben im Oberamt Heiden­heim lagen und in Heiden­heim und dem benach­bar­ten Schnait­heim zuerst die Hafne­rei in größe­rem Umfang betrie­ben wurde. In ganz Süddeutsch­land, in die Schweiz und nach Itali­en werden die Geschir­re verkauft. Ins Oberland kommen viele Bratpfan­nen und Ganskahr (eirun­de Platten für Gänse­bra­ten). Vor dem Bau der Kocher- und Brenz­tal­ei­sen­bahn 1862/64 wurde das Geschirr haupt­säch­lich durch Händler aus Matzen­bach und Deufstet­ten hier abgeholt und in den Handel gebracht. Auch um 1880 fuhren noch einige Blahen­wa­gen, die mit Pferden bespannt waren, oder auch bloße »Schnapp­kar­ren« mit Oberko­che­ner Töpfer­er­zeug­nis­sen durch das Land. Nach dem Bahnbau wurde das Geschirr in den Latten­kis­ten, Haras­sen genannt, sorgsam in Stroh verpackt, auf den niede­ren Haras­sen­kar­ren zur Bahn gebracht und nach allen Richtun­gen oft in ganzen Wagen­la­dun­gen versandt. Ein »Haraß« umfaßt durch­schnitt­lich 20 Wurf (siehe Anmer­kung am Schluß) Geschirr.

Nur ein Oberko­che­ner Hafner hatte bis 1928 einen Kraft­be­trieb einge­rich­tet und damit den neuen Bestre­bun­gen Eingang verschafft. Für die Bearbei­tung von Ton und Glasur benütz­te er einen Elektro­mo­tor und für die Drehschei­be einen Wasser­mo­tor (Pelton­tur­bi­ne). Die Königs­bron­ner Hafner hatten in dieser Zeit ihre Elektro­mo­to­ren zur Drehschei­be wegen schwie­ri­ger Handha­bung und hoher Strom­prei­se z.T. wieder abgestellt.

In der Tonwa­ren­fa­brik Stützel-Sachs in Aalen, in der auch ein hiesi­ger Hafner in Arbeit steht, wird sowohl in Freihand- als auch in Formdre­he­rei oder Stanzen nach Schablo­nen in Gips oder Metall mit Stempel­pres­sung gearbei­tet. Ähnlich wird in den sächsi­schen und schle­si­schen Töpfer­fa­bri­ken wie in Bunzlau, Walden­burg, die Geschirr-Erzeu­gung betrie­ben, die auf diese Weise den Handbe­trie­ben weit voraus waren und künst­le­risch vollende­te Waren lieferten.

Von den Brenn­öfen wurden in den 30er Jahren einige verbes­sert und einer nach neues­ter Konstruk­ti­on erstellt. Es wird meist nur noch alle zwei bis drei Wochen gebrannt, früher regel­mä­ßig alle acht Tage. Der hierbei aufstei­gen­de Qualm ist so stark, daß Fremde glauben, es sei eine Feuers­brunst entstan­den. Die Haupt­ab­neh­mer des Geschirrs sind die Händler, die es öfters im Auto abholen. Andere Waren werden in Kauflä­den, Glas- und Porzel­lan­ge­schäf­ten verkauft.

*) Nachtrag: Erklä­rung des Begriffs »Wurf«
Der Begriff »Wurf« bedarf einer Erläu­te­rung. Diese konnte der eingangs erwähn­te noch ausüben­de Hafner-aus-Liebe-zum-Handwerk geben (Herr Kurt Elmer):

Ein »Wurf« kann aus unter­schied­lich vielen Ton-Gefäßen bestehen; es kommt auf die Größe der Gefäße an. Die größte Schüs­sel, die der Hafner herstellt — ein Gefäß mit einem Durch­mes­ser von immer­hin ca. 40 cm Durch­mes­ser — hat die Nummer 1. Weiter gibt es, bei ständig kleiner werden­den Gefäß­durch­mes­sern die Größen­num­mern 2, 3, 5, 6, 8, 10, 12, 14, 16 und 20. Gefäß­num­mer 20 ist demnach ein sehr kleines Schüsselchen.

Ein »Wurf« besteht nun, und das wird häufig falsch beurteilt, aus so vielen Gefäßen, wie die Gefäß­grö­ßen­num­mer anzeigt. Das heißt, ein »Wurf« kann beispiels­wei­se aus 2 Gefäßen der Größe 2 bestehen, aus 8 Gefäßen der Größe 8, oder aus 20 Gefäßen der Größe 20, — aber auch aus einem einzi­gen Gefäß der Größe 1.

Ein weite­res Geheim­nis des »Wurfs« ist, daß er immer gleich viel gekos­tet hat. (Mir wurde die Summe von 6 Mark angege­ben). Mit anderen Worten: 20 Gefäße der Größe 20 koste­ten genau so viel wie 8 Gefäße der Größe 8, oder, wie soeben beschrie­ben, eine Riesen­schüs­sel der Größe 1, — nämlich 6 Mark. Ein Irrtum wäre, die Größen­zah­len des »Wurfs« mit Zenti­me­tern zu verwech­seln; die Relati­on ist genau umgekehrt und hat überdies mit Zenti­me­tern gar nichts zu tun.

Alfons Mager (um 1939)